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Aktuelles zum „Payment for Order Flow“ (Stand: Mrz. 2024)

Aktualisiert: vor 4 Tagen


Die Gewährung von Rückvergütungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen (Payment for Order Flow – kurz: PFOF) steht bei verschiedenen Aufsichtsbehörden in der Kritik, weil durch Rückvergütungen Interessenskonflikte bei den die Kundenaufträge weiterleitenden Brokern entstehen können.


Vor diesem Hintergrund wird schon seit längerem ein Verbot von Payment-for-Orderflow-Modellen diskutiert und insbesondere von Seiten der Europäischen Union vorangetrieben. Die BaFin steht dem Verbot eher kritisch gegenüber.


In diesem Beitrag erfahren mehr zum aktuellen Stand des Verbotsvorhabens und welche Entwicklung es seit dem Jahr 2021 genommen hat.



März 2024: Verabschiedung des Payment-for-Orderflow-Verbots


Am 28.02.2024 hat das Europäische Parlament die Verordnung (EU) 2024/791 verabschiedet, die am 28.03.2024 in Kraft getreten ist. Das Payment-for-Orderflow-Verbot wurde durch Einfügung des neuen Artiel 39a in die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) umgesetzt. Dieser hat den folgenden Wortlaut:


Artikel 39a

Verbot der Annahme von Rückvergütungen für die Weiterleitung von Wertpapieraufträgen


(1) Im Auftrag von Kleinanlegern im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 11 der Richtlinie 2014/65/EU oder von professionellen Kunden im Sinne von Anhang II Abschnitt II der genannten Richtlinie handelnde Wertpapierfirmen nehmen von Dritten keine Gebühr, Provision oder nichtmonetären Vorteil für die Ausführung von Aufträgen von diesen Kunden an einem bestimmten Ausführungsplatz oder für die Weiterleitung von Aufträgen dieser Kunden an Dritte zum Zweck der Ausführung an einem bestimmten Ausführungsplatz (‚Rückvergütungen für die Weiterleitung von Wertpapieraufträgen‘ — payment for order flow) an.


Unterabsatz 1 gilt nicht für Rabatte oder Preisnachlässe auf Transaktionsgebühren von Ausführungsplätzen, sofern dies nach der genehmigten und öffentlichen Tarifstruktur eines Handelsplatzes in der Union oder eines Drittlandshandelsplatzes zulässig ist, wenn sie ausschließlich dem Kunden zugutekommen. Solche Nachlässe oder Rabatte dürfen der Wertpapierfirma keinen monetären Vorteil verschaffen.


(2)   Ein Mitgliedstaat, in dem vor dem 28. März 2024 im Namen von Kunden handelnde Wertpapierfirmen niedergelassen sind, die von Dritten für die Ausführung von Aufträgen dieser Kunden an einem bestimmten Ausführungsplatz oder für die Weiterleitung von Aufträgen dieser Kunden an Dritte zur Ausführung an einen bestimmten Ausführungsplatz eine Gebühr, eine Provision oder einen nichtmonetären Vorteil erhalten, kann Wertpapierfirmen in seinem Hoheitsgebiet bis zum 30. Juni 2026 von dem Verbot nach Absatz 1 ausnehmen, wenn diese Wertpapierfirmen Wertpapierdienstleistungen für Kunden erbringen, die in diesem Mitgliedstaat ansässig oder niedergelassen sind.


Zur Anwendung der in Unterabsatz 1 genannten Ausnahme teilt ein Mitgliedstaat, der die in Unterabsatz 1 festgelegte Bedingung erfüllt, dies der ESMA bis zum 29. September 2024 mit. Die ESMA führt ein Verzeichnis der Mitgliedstaaten, die diese Ausnahme in Anspruch nehmen. Die Liste wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und regelmäßig aktualisiert.


Die Übergangsregelung in Absatz 2 ist auf deutsches Bemühen zurückzuführen, um bereits in Deutschland etablierten Neobrokern und Direktbanken zu ermöglichen, die Praxis für einen Übergangszeitraum weiterzuführen und sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.


Die nationale Umsetzung der Übergangsregelung soll nach dem Regierungsentwurf des Finanzmarktdigitalisierungsgesetzes (FinmadiG) in § 138a WpHG-E erfolgen (BT-Drs. 20/10280). Da die Übergangsregelung aber im März noch nicht in Kraft gesetzt worden ist, hat die BaFin mitgeteilt, dass sie formelle Verstöße gegen Art. 39a MiFIR nicht verfolgen wird.



Oktober 2023: Kommission veröffentlicht Textentwurf


Am 13.10.2023 veröffentlichte die Europäische Kommission den Text zur Einigung, welche diese bereits im Juni (siehe unten) im Grundsatz mit dem Europäischen Parlament erzielt hat. Die Umsetung des Payment-for-Orderflow-Verbots sollte demnach durch Einfügung eines neuen Artikel 39a in der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) erfolgen.


Neben der BaFin (siehe unten) sieht auch die deutsche Bundesregierung das Verbot kritisch. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Florian Toncar stellte in einer Stellungnahme heraus, die Bundesregierung habe sich bis zu letzt gegen ein solches Verbot ausgesprochen, vermochte letztendlich aber nicht, sich gegen die anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission durchzusetzen.



Juni 2023: Einigung zwischen Kommission und Parlament


Am 29.06.2023 haben die Europäische Kommission und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über das geplante Verbot von Payment-for-Orderflow-Modellen erzielt. Beschlossen wurde ein allgemeines Verbot. Den Mitgliedstaaten soll aber die Option eingeräumt werden, den Wertpapierfirmen in ihrem Hoheitsgebiet bis längstens zum 30.06.2026 dieses Vergütungsmodell zu gestatten, soweit diese Wertpapierdienstleistungen ausschließlich für Kunden in diesem Hoheitsgebiet erbringen.



Mai 2022: Studie und Stellungnahme der BaFin


Am 16.05.2022 hat die BaFin eine durch sie bereits am 11.04.2022 durchgeführte Studie veröffentlicht. In der Studie analysierte die BaFin empirische Daten und behandelte die Frage, ob Payment-for-Orderflow-Modelle nachteilig für Anleger sind.


In ihre Betrachtung bezog sie alle Geschäfte in deutschen Aktien ein, für welche die BaFin die zuständige Aufsichtsbehörde ist und die sich im Betrachtungszeitraum an den Handelsplattformen Tradegate Exchange, Lang & Schwarz Exchange, Gettex und Quotrix (im Folgenden verkürzt: PFOF-Märkte) ereigneten.


Die BaFin kam sie zu dem Ergebnis, dass sich die Ausführung von Aktienkäufen bzw. -verkäufen an PFOF-Märkten mehrheitlich bei kleineren Transaktionsvolumina als vorteilhaft erwies. Privatkunden konnten bessere Ergebnisse an PFOF-Märkten insbesondere bei Transaktionsvolumina bis 2.000 Euro in DAX-Aktien und bis 500 Euro in sonstigen deutschen Aktien erzielen als bei den gegenübergestellten Referenzmärkten.


Auszug aus der BaFin-Studie zu Payment for Orderflow
© BaFin, Studie zur Ausführungsqualität an ausgewählten deutschen Handelsplattformen, 11.04.2022

Damit kam die BaFin zu einem teilweise anderen Ergebnis, als die Studien der niederländischen Wertpapieraufsichtsbehörde Autoriteit Financiële Markten (AFM) und der spanischen Wertpapieraufsichtsbehörde Comisión Nacional del Mercado de Valores (CNMV), auf die sich der ESMA-Bericht an die Europäische Kommission vom 29.04.2022 (s.u.) maßgeblich gestützt hat. Die BaFin führt diese Abweichung insbesondere darauf zurück, dass sie auch mit der Ausführung verbundenen handelsplatzbezogene Transaktionskosten, Liquiditätsunterschiede bei den gehandelten Aktien sowie Transaktionsgrößen berücksichtigt habe, um dem MiFID-Grundsatz der Gesamtkostenbetrachtung gerecht zu werden.



April 2022: ESMA berichtet an die Europäische Kommission


Die ESMA griff in ihrem Bericht an die Europäische Kommission vom 29.04.2022 das Thema „Payment for Order Flow“ – neben verschiedenen anderen Themen zum Anlegerschutz – erneut auf. Diesem Bericht ging eine öffentliche Konsultation voraus, bei der Wertpapierfirmen und andere Stakeholder die Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.


In ihrem Bericht nahm die ESMA Bezug auf ihre bereits in ihrer Stellungnahme vom 13.07.2021 (s.u.) geäußerten Bedenken und unterstützte im Ergebnis den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 25.11.2021 (s.u.), welcher ein Verbot des Payment for Orderflow umfasste. Zur Begründung führte die ESMA insb. Studien der spanischen Wertpapieraufsichtsbehörde CNMV und der niederländischen Wertpapieraufsichtsbehörde AFM an, die zu dem Ergebnis gelangten, dass Kleinanleger an Ausführungsplätzen, die Payment for Orderflow anbieten, schlechtere Ausführungspreise erhalten als auf anderen Märkten. Zudem könne der Eindruck entstehen, der Handel sei gratis, was wiederum einen Anreiz zu einem intensiveren Handel setzt und damit die Risiken des Anlegers erhöht.



Ende 2021 bis Anfang 2022: Veröffentlichung diverser Studien


Die ESMA und die Europäische Kommission haben Ende 2021 eine intensive Debatte darüber ausgelöst, ob Payment-for-Orderflow-Modelle den Anleger schlechter stellen. In dieser Zeit, aber auch schon davor wurde eine Vielzahl von Studien veröffentlicht, die sich dem Thema angenommen haben. Die Ergebnisse der Studien fielen jedoch unterschiedlich aus, was auf die teilweise von einader abweichenden Methodiken zurückgeführt werden kann. Die Studie der BaFin greift dies auf (s.o.).


Es folgt eine Auswahl von Studien zum Thema Payment for Orderflow:




November 2021: Erster Kommissionsvorschlag für ein Verbot


Am 25.11.2021 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren ersten Vorschlag für die Einfügung eines Verbots von Payment for Orderflow.


Artikel 39a (Entwurf)

Verbot von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen zum Zweck der Ausführung


Im Kundenauftrag handelnde Wertpapierfirmen nehmen von Dritten für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an diese Dritten keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nichtmonetäre Vorteile entgegen.


Die Kommission bezweckte mit diesem Entwurf eine Steigerung der Ausführungsqualität für Kleinanleger und eine Erhöhung der Vorhandelstransparenz. Sie ging jedoch noch davon aus, dass Payment for Orderflow ausschließlich Relevanz over the counter (OTC) habe, also beim Handel außerhalb einer Börse bzw. eines Handelsplatzes. Denn sie hatte lediglich systematische Internalisierer mit dem Verbot im Blick. Tatsächlich gibt es Payment-for-Orderflow-Modelle aber auch im börslichen Handel, wie die BaFin in ihrer späteren Studie vom 11.04.2022 korrekt feststellte. Unabhängig davon hätte der damalige Regelungsentwurf Payment for Order Flow aber auch wirksam im börslichen Handel unterbunden, weil er nicht an die Art des Ausführungsplatzes anknüpft.



Juli 2021: Stellungnahme der ESMA


In einer Stellungnahme vom 13.07.2021 ging die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA auf Rückvergütungen für die Weiterleitung von Wertpapieraufträgen (Payment for Order Flow – PFOF) ein und schlussfolgerte, sie habe ernste Bedenken, ob derartige Modelle den vielfältigen Anforderungen an den Anlegerschutz gerecht würden. In den meisten Fällen sehe sie es als unwahrscheinlich an, dass Rückvergütungen mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Sie legte aber auch dar, wie die spezifischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen in diesem Zusammenhang nach ihrem Verständnis auszulegen seien.


Die ESMA wies zum einen auf die Anforderung an Wertpapierfirmen zum wirksamen Management von (potenziellen) Interessenkonflikten (u.a. Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 und Art. 23 MiFID II) hin. Die Auswahl eines Ausführungsplatzes müsse sich am Grundsatz der bestmöglichen Ausführung (Best Execution, u.a. Art. 27 MiFID II) orientieren und nicht an der Höhe von Rückvergütungen. Denn insbesondere bestünde die Gefahr, dass Kunden aufgrund eines möglicherweise höheren Bid-Ask-Spreads einen schlechteren Preis erzielen, wenn die Wertpapierfirma die Order an einem Ausführungsplatz ausführt, der Rückvergütungen auszahlt.


In Fällen, in denen der Kunde einen Ausführungsplatz aus einer Liste mit mehreren Ausführungsplätzen auswählt, sei die Wertpapierfirma zwar hinsichtlich der Auswahl des Ausführungsplatzes vom Grundsatz der bestmöglichen Ausführung befreit (vgl. Art. 27 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 MiFID II). Sollten jedoch Ausführungsplätze, die Rückvergütungen auszahlen, auf systematische Art und Weise derart besonders hervorgehoben werden, dass der Kunde dazu verleitet wird, diese auszuwählen, sieht die ESMA die Befreiung vom Grundsatz der bestmöglichen Ausführung als nicht gegeben an.


Im Zusammenhang mit der aufsichtsrechtlichen Anforderung an das Behaltendürfen von Zuwendungen, wenn diese für die Verbesserung der Dienstleistungsqualität verwendet wird (u.a. Art. 16 Abs. 9 MiFID II), spezifizierte die ESMA Beispiele, bei denen Sie diese Voraussetzung als gegeben ansieht und bei denen dies nicht der Fall ist. Als Qualitätsverbesserung sieht sie beispielsweise die Verbesserung des Zugangs zu Marktdaten oder Investmentanalysen an, der den Kunden bei ihren Anlageentscheidungen hilft.


Darüber hinaus greift die ESMA auch Geschäftsmodelle von sogenannten Gratisbrokern auf (zero-commission brokers), die ihren Kunden für Orderausführung keine Entgelte in Rechnung stellen und die Kosten der Dienstleistung über Rückvergütungen decken. Die ESMA sieht es als Verstoß gegen die Verpflichtung der Wertpapierfirma, dem Kunden angemessene Informationen über sämtliche Kosten und verbundenen Gebühren zur Verfügung zu stellen (Art. 24 Abs. 4 MiFID II), an, wenn die Wertpapierfirma ihre Dienstleistung als „kostenlos“ bewirbt. Denn Kosten in diesem Sinne umfassen auch implizite Kosten wie den Spread.


Letztendlich forderte die ESMA die nationalen Aufsichtsbehörden, darunter auch die BaFin, auf, ihren Aufsichtsfokus für 2021 bzw. Anfang 2022 auf Payment-for-Orderflow-Modelle zu legen.

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