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Wie funktioniert der fortlaufende Börsenhandel?

Aktualisiert: vor 2 Tagen


Der fortlaufende Handel (continuous trading) ist beim Börsenhandel von liquiden Finanzinstrumenten (insbesondere liquide Aktien und Derivate darauf) das vorherrschende Marktmodell an liquiden Märkten. In Deutschland kommt das Marktmodell unter anderem für Xetra zum Einsatz, einem elektronischen Handelssystem der Frankfurter Wertpapierbörse (Deutsche Börse AG). Andere deutsche Handelsplätze, über die zwar auch liquide Finanzinstrumente gehandelt werden können, jedoch insgesamt kein entsprechend hohes Handelsvolumen erreichen, greifen typischerweise auf andere Handelsmodelle zurück, wie den Skontroführerhandel (etwa der Börse Hannover) oder den Market-Maker-Handel (etwa Quotrix). Dieser Beitrag erläutert die grundlegende Funktionsweise des Handelsmodells „fortlaufender Handel“.



​Orderbuchbasierter Handel

Orderbuch BTC EUR Kraken
Grafische Darstellung des Kraken-Orderbuchs BTC/EUR vom 02.05.2022 um 19:12 Uhr

Der fortlaufende Handel basiert auf einem Orderbuch, über das alle Handelsteilnehmer miteinander interagieren bzw. handeln können (ordergetriebener Handel). Die Interaktion erfolgt über Aufträge (Orders), deren Parameter von den Handelsteilnehmern definiert und an das Handelssystem übermittelt werden.


Für eine Order mindestens erforderliche Parameter sind die Seite (Kauf oder Verkauf), das gewünschte Handelsvolumen und der Preis (Limit) bzw. zumindest die Angabe, dass sofort zum bestmöglichen Preis ausgeführt werden soll (Market-Order). Das Limit gibt an, welchen Preis der Handelsteilnehmer maximal (bei einer Kauforder) bzw. mindestens (bei einer Verkaufsorder) zu akzeptieren bereit ist.


Das Orderbuch hat zwei Seiten: eine Kaufseite (Geldseite), auf die alle nicht sofort ausführbaren Kauforders eingestellt werden, und eine Verkaufsseite (Briefseite), auf die alle nicht sofort ausführbaren Verkaufsorders eingestellt werden. Alle Orders werden entsprechend ihrem Limit sortiert.


Kontinuierlicher Marktausgleich


Beim fortlaufenden Handel (continuous trading) erfolgt ein kontinuierlicher Marktausgleich, d. h. Orders werden zusammengeführt, sobald und soweit sie sich ausführbar gegenüberstehen. Das Handelssystem überprüft an das Orderbuch übermittelte Aufträge sofort auf ihre Ausführbarkeit gegen bereits im Auftragsbuch befindliche Aufträge. Ist keine ausführbare Situation gegeben, wird die Order

in das Orderbuch eingestellt und wartet auf Ausführung gegen eine neu eintreffende Order.



Matching nach der Preis-Zeit-Priorität


Das Zusammenführen (matching) von Orders erfolgt nach der Preis-Zeit-Priorität. Eine eingehende ausführbare Verkaufsorder wird gegen die im Orderbuch befindliche Kauforder mit dem höchsten Limit ausgeführt; ein eingehende ausführbare Kauforder wird gegen die im Orderbuch befindliche Verkaufsorder mit dem niedrigsten Limit ausgeführt (Preispriorität). Haben mehrere im Orderbuch befindliche Orders den besten Preis, wird die eingehende Order zunächst gegen die am längsten im Orderbuch befindliche Order ausgeführt (Zeitpriorität). Dieser Vorgang wird durchgeführt, solange die eingehende Order gegen im Orderbuch befindliche Orders ausgeführt werden kann. Kann eine eingehende Order nur teilweise oder gar nicht ausgeführt werden, wird der nicht ausgeführte Teil in das Orderbuch eingestellt. Diese Order wird dann gegen neu eingehende Orders ausgeführt, soweit sich eine ausführbare Situation ergibt.



Alternativmodell: Preis-Sichtbarkeits-Zeit-Priorität


Grundsätzlich sind Handelsplatzbetreiber, wenn sie den fortlaufenden Handel durchführen, zur Vorhandelstransparenz in Bezug auf die jeweils fünf besten Kauf- und Verkaufspreise im Orderbuch sowie der jeweiligen Volumen verpflichtet. Von dieser Vorgabe kann die zuständige Behörde eine Ausnahme für im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang großvolumige Orders erteilen. Vor diesem Hintergrund hat die Frankfurter Wertpapierbörse bis zum Jahr 2017 Handelsteilnehmern im Handelsmodell „fortlaufender Handel mit untertägigen Auktionen“ über den Ordertyp „Hidden-Order“ ermöglicht, diese Order von der Vorhandelstransparenz auszunehmen. Mit der Übermittlung einer Hidden-Order möchte der Teilnehmer vermeiden, dass andere Marktakteuere von dem großvolumigen Kauf- oder Verkaufsinteresse Kenntnis erhalten. Diese könnten sich nämlich darauf einrichten und entsprechend ihre Preise anpassen, was wiederum die Ausführungspreise für den Teilnehmer mit dem großvolumigen Transaktionsinteresse verschlechtern könnte.


Hätte das Handelssystem einen Marktausgleich lediglich nach der Preis-Zeit-Priorität vorgenommen, würde ein gesteigertes Risiko bestehen, dass auch eine nicht in die Vorhandelstransparenz einbezogene Hidden-Order von anderen Marktakteuren erkannt wird. Hat beispielsweise eine Hidden-Order nach der Preis-Zeit-Priorität den höchsten Rang und wird eine eingehende Order gegen diese ausgeführt, lässt die unveränderte, offengelegte Orderbuchlage den Schluss auf die Existenz einer Hidden-Order zu. Um anderen Marktakteuren das Aufspüren von Hidden-Orders zumindest zu erschweren, nahm die Frankfurter Wertpapierbörse den Marktausgleich nach der Preis-Sichtbarkeits-Zeit-Priorität vor. Soweit eine Hidden-Order den gleichen Preis wie eine sichtbare Order hatte, wurde die Hidden-Order unabhängig von ihrem Zeitstempel nachrangig ausgeführt.



Alternativmodell: Preis-Internalisierungs-Zeit-Priorität


Ein Teilnehmer eines Handelsplatzes kann durch die Übermittlung von Orders an das Handelssystem eigene Handelsinteressen verwirklichen, d. h. für eigene Rechnung handeln. Er würde insoweit entweder Eigenhandel oder das Eigengeschäft betreiben. Ein Teilnehmer kann aber auch als Intermediär für seine Kunden Aufträge an das Handelssystem übermitteln, d. h. für fremde Rechnung handeln. Insoweit könnte er beispielsweise das Finanzkommissionsgeschäft betreiben. Teilnehmer können also für eigene und fremde Rechnung handeln.


Stellt ein Teilnehmer einem Orderbuchsystem Liquidität über limitierte Eigenhandelsorders zur Verfügung und nimmt er diese Liquidität zugleich über eine Kundenorder in Anspruch, kann er in dieser Doppelrolle grundsätzlich zusätzliche Erträge erzielen. Er würde nicht nur ein Kommissionsentgelt von seinem Kunden erhalten, sondern könnte darüber hinaus auch einen Ertrag erzielen, weil er als Liquiditätsgeber ein Geschäft für einen unter- oder oberhalb des Gleichgewichtspreises liegenden Preis tätigt.


Erfolgt im Rahmen des fortlaufenden Handels eine Zuteilung der Ausführungsansprüche nach der reinen Preis-Zeit-Priorität, kann sich für Teilnehmer die Situation ergeben, dass eine Kundenorder nicht gegen eine diesem grundsätzlich entsprechende Eigenhandelsorder ausgeführt wird, weil eine andere Order mit demselben Limit vor der Eigenhandelsorder an das Handelssystem übermittelt wurde und deshalb vorrangig ausgeführt wird (Zeitpriorität). Es kann daher für Teilnehmer ein Interesse daran bestehen, dass das Handelssystem eigene Orders vorrangig gegeneinander ausführt. Die Börse Berlin sieht für das Handelsmodell Equiduct vor, dass Orders desselben Handelsteilnehmers nach der Preis-Internalisierungs-Zeit-Priorität vorrangig zusammengeführt werden.



Anwendungsfälle der Deutsche Börse AG


Die Deutsche Börse AG hat ihr Handelsmodell Fortlaufender Handel mit untertägigen Auktionen umfassend mit einer Vielzahl von Beispielen verschiedener Marktsituationen beschrieben. Das Dokument ist hier abrufbar.



Andere Formen des Orderbuchhandels


​Neben dem fortlaufenden Handel gibt es als weitere Formen des Orderbuchhandels auch Auktionen (einschließlich fortlaufenden Auktionen) und den ordergetriebenen Referenzpreishandel (Crossing-System). Insoweit wird auf das Werk Market-Making - Eine aufsichtsrechtliche Analyse des Market-Makings im Rahmen multilateraler und bilateraler Systeme verwiesen.



FAQ zum fortlaufenden Handel


Was bedeutet „ordergetriebener Handel“?

Was ist fortlaufender Handel?

Was ist der Unterschied zwischen „fortlaufendem Handel“ und der „fortlaufenden Auktion“?

Was ist der Spread im Orderbuch?

Was ist Equiduct?


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