top of page

Abgrenzung des Eigenhandels durch Market-Maker vom Eigengeschäft durch sonstige Liquiditätsgeber

  • Autorenbild: RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
    RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
  • 4. Dez. 2017
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Mai

Logo Zeitschrft WM

WM-Beitrag

Müller-Lankow, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2017, S. 2335 - 2345


Inhaltsübersicht


A. Einleitung

B. Anbieten des An- und Verkaufs

I. Anbieten im aufsichtsrechtlichen Sinn

II. Zeitgleiches und zeitversetztes Anbieten des An- und Verkaufs

III. Kein Dienstleistungserfordernis

IV. Keine Quotierungspflicht erforderlich

V. DEA-Market-Making

VI. Zwischenergebnis

C. Kontinuierliches Handeln

I. Marktpräsenz im Rahmen bestehender Quotierungsverpflichten

1. Marktpräsenz im Rahmen obligatorischer Market-Making-Systeme i. S. von § 26c BörsG

2. Marktpräsenz im Rahmen fakultativer Market-Making-Systeme

3. Grenzen dieses Ansatzes

II. Marktpräsenz i. S. der Definition der Market-Making-Strategie

1. Regelmäßige und kontinuierliche Versorgung des Gesamtmarktes mit Liquidität

a) Konkretisierung in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b Delegierte VO (EU) 2017/578

b) Feste Geld- und Briefkursofferten

c) Zeitgleiche Geld- und Briefkursofferten

d) Kursofferten zu wettbewerbsfähigen Preisen

e) Kursofferten vergleichbarer Höhe

2. Grenzen dieses Ansatzes

III. Übertragung auf die Market-Making-Definition

1. Auftragsbuch-Handelssystem

2. Market-Maker-System

IV. Zwischenergebnis

D. Teleologische Reduktion

I. Ökonomische Grundsätze des Market-Makings

II. Marktübergreifende Arbitrage

III. Marktneutrale Arbitrage

IV. Umsetzung von Anlageentscheidungen

V. Zwischenergebnis

E. Fazit



A. Einleitung


Market-Maker können als Finanzmarktakteure beschrieben werden, die anderen Marktakteuren als Kontrahent zur Verfügung stehen und ihnen dadurch ermöglichen, sofort Transaktionsinteressen zu einem marktgerechten Preis zu verwirklichen. An Handelsplätzen sind sie an mehr als der Hälfte der Transaktionen als Kontrahent beteiligt, was sie zu einer aufsichtsrechtlich relevanten Gruppe von Marktakteuren macht. Es verwundert daher kaum, dass das Gesetz Market-Maker der Aufsicht unterwirft. Besondere Vorgaben können sich nicht nur aus deutschen Rechtsnormen, wie insbesondere im KWG und im WpHG ergeben, sondern auch aus europäischen Rechtsnormen, wie in der CRR und der SSR.


Liquidität bezeichnet allgemein, wie leicht oder schwer es Marktakteuere haben, Transaktionsinteressen zu verwirklichen, ohne den Preis erheblich zu beinträchtigen. Im Kontext eines Auftragsbuch-Handelssystems versorgen Market-Maker den Handel mit Liquidität, indem sie Aufträge oder Quotes in das Auftragsbuch einstellen. Die Krux ist, dass auf diese Weise grundsätzlich Jedermann den Handel liquider machen kann. Daher stellt sich in aufsichtsrechtlicher Hinsicht die Frage nach einer genauen Grenzziehung zwischen dem Eigenhandel durch Market-Maker und dem Eigengeschäft durch sonstige Liquiditätsgeber (Liquidity-Provider).


Für die Einordnung als Eigenhändler ist im deutschen Recht die Market-Making-Definition in § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 Buchst. a KWG n. F. und § 2 Abs. 8 S. 1 Nr. 2 Buchst. a WpHG n. F. von entscheidender Bedeutung. Die Definition ist die erste Tatbestandsvariante des Eigenhandels. Sind die Tatbestandsmerkmale erfüllt, erbringt der Market-Maker nicht nur die Finanzdienstleistung Eigenhandel i. S. des KWG, sondern grundsätzlich auch die Wertpapierdienstleistung Eigenhandel i. S. des WpHG. Das ist nicht nur für eine mögliche Erlaubnispflicht von Relevanz. Der Betrieb von Eigenhandel ist auch maßgeblich für die Frage, ob das Unternehmen ein Finanzdienstleistungsinstitut i. S. des KWG und Wertpapierdienstleistungsunternehmen i. S. des WpHG ist. Das wiederum ist relevant, weil das Gesetz vielfach an diese Begrifflichkeiten anknüpft.


Erste Seite des WM-Beitrags
Müller-Lankow, 2017, S. 2335 - 2345: Abgrenzung des Eigenhandels durch Market-Maker vom Eigengeschäft durch sonstige Liquiditätsgeber


Überschreitet die Liquiditätsversorgung durch einen Marktakteur nicht die Schwelle zum Market-Making, handelt es sich um Eigengeschäft. Ein Marktakteur, der ausschließlich das Eigengeschäft betreibt, ist grundsätzlich weder ein Finanzdienstleistungsinstitut i. S. des KWG noch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen i. S. des WpHG, weshalb eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen keine Anwendung findet. Die bloße Vornahme des Eigengeschäfts kann eine originäre Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1a S. 2 KWG n. F. begründen, weil das Unternehmen regelmäßig Mitglied oder Teilnehmer eines Handelsplatzes ist oder über einen direkten elektronischen Zugang zu einem Handelsplatz verfügt.


Vor diesem Hintergrund ist im deutschen Recht eine Abgrenzung des Eigenhandels durch Market-Maker vom Eigengeschäft durch sonstige Liquiditätsgeber insbesondere im Kontext des Handels an einem Handelsplatz von besonderer Relevanz. Der Dreh- und Angelpunkt der Analyse ist dabei die aufsichtsrechtliche Market-Making-Definition. Danach ist Market-Making das kontinuierliche Anbieten des An- und Verkaufs von Finanzinstrumenten an den Finanzmärkten zu selbst gestellten Preisen für eigene Rechnung unter Einsatz des eigenen Kapitals.



B. Anbieten des An- und Verkaufs


Die Market-Making-Definition erfasst das „Anbieten des An- und Verkaufs“.



I. Anbieten im aufsichtsrechtlichen Sinn


Das Tatbestandsmerkmal „Anbieten“ ist gesetzlich nicht näher konkretisiert. Es könnte zunächst als ein zivilrechtliches Angebot i. S. von § 145 BGB verstanden werden. Allgemein wird das zivilrechtliche Angebot als eine empfangsbedürftige Willenserklärung definiert, durch die jemand einem anderen in verbindlicher und annahmefähiger Weise den Abschluss eines Vertrages vorschlägt. Von einem Angebot ad incertam personam spricht man, wenn die Person des Vertragspartners nicht konkret bezeichnet, aber jedenfalls bestimmbar ist.


Erfolgt der Handel an einem Handelsplatz im Rahmen eines Auftragsbuch-Handelssystems, geben Handelsteilnehmer zivilrechtliche Angebote ab, indem sie einen Auftrag an das Handelssystem übermitteln, der nicht direkt mit einem anderen Auftrag zusammengeführt wird, sondern mangels ausführbarer Situation in das Auftragsbuch eingestellt wird. In diesem Fall wartet das Angebot im Auftragsbuch auf die Annahme durch andere Handelsteilnehmer. Soweit Market-Maker Aufträge oder Quotes in das Auftragsbuch einstellen, unterbreiten sie grundsätzlich auch Angebote im zivilrechtlichen Sinn.


Bei einem zivilrechtlichen Verständnis würden allerdings Market-Maker nicht unter die Market-Making-Definition fallen, wenn sie entsprechend des jeweiligen Handelsmodells lediglich Vertragsangebote anderer Handelsteilnehmer annehmen. Das wäre beispielsweise bei Spezialisten an der Frankfurter Wertpapierbörse im Handelsmodell „Spezialistenmodell der fortlaufenden Auktion“ der Fall. Hier gibt der Spezialist den verbindlichen Quote erst im Rahmen des Aufrufs ein, nachdem die übrigen Handelsteilnehmer im Voraufruf die Möglichkeit hatten, (verbindliche) Aufträge an das Handelssystem zu übermitteln. Darüber hinaus wären auch Market-Maker nicht von der Market-Making-Definition erfasst, wenn sie im Rahmen eines Market-Maker-Systems (quotegetriebener Handel) agieren, das als Geschäftsanfrage-System (request for trade system) ausgestaltet ist. Beispielsweise sieht das Handelsmodell „Market Maker Munich“ (Gettex) der Börse München vor, dass die Handelsteilnehmer von dem Market-Maker indikative Preise anfragen und auf der Grundlage dieser Preise dem Market-Maker verbindliche Geschäftsanfragen (execution requests) übermitteln. Ein Geschäft kommt zustande, wenn der Market-Maker die Geschäftsanfrage bestätigt, bzw. das Vertragsangebot des Handelsteilnehmers annimmt. Dieses Verfahren hat sich insbesondere im Rahmen des OTC-Market-Makings etabliert.


Gegen ein zivilrechtliches Verständnis spricht allerdings bereits die Market-Maker-Definition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 MiFID II, die in ihrem deutschen Pendant umgesetzt wurde. Danach zeigt der Market-Maker seine Bereitschaft an, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten Handel zu betreiben („a person who holds himself out … as being willing to deal“). Dieser Wortlaut beschränkt sich nicht bloß auf das Anbieten im zivilrechtlichen Sinn.


Letztendlich spricht auch eine funktionale Betrachtung gegen ein zivilrechtliches Verständnis. Market-Maker verbessern die Liquidität eines Marktes, indem sie anderen Marktakteuren die sofortige Verwirklichung von Transaktionsinteressen (Sofortigkeit) ermöglichen.


Transaktionsmöglichkeiten können auch geschaffen werden, wenn das jeweilige Handelsmodell vorsieht, dass der Market-Maker keine Vertragsangebote unterbreitet, sondern lediglich annimmt.

Daher meint das Anbieten i. S. der Market-Making-Definition die Anzeige der Handelsbereitschaft und ist nicht auf zivilrechtliche Angebote begrenzt.



- Ende des Textauszugs -


Gesamter Aufsatz: WM 2017, S. 2335 - 2345

  • Wertpapierhandel und ‑dienstleistungen

  • Marktinfrastruktur und Verwahrung

  • Fondsverwaltung und ‑vertrieb

  • Zahlungs- und Kryptodienste

  • Emissionshandelssystem (EU-EHS)

  • Anti-Geldwäsche und Sanktionen

Kronsteyn – Legal Excellence

Kronsteyn bietet spezialisierte Beratung im deutschen und europäischen Finanzmarktrecht. Der Anspruch der Kanzlei ist juristische Exzellenz – jeden Tag, um höchsten Erwartungen gerecht zu werden.

Kontakt

Kronsteyn

Messeturm

Friedrich-Ebert-Anlage 49
60308 Frankfurt am Main

Deutschland

T: +49 69 2013 5770
E: hello@kronsteyn.law

bwf-logo.png
bottom of page