Wie wirkt sich die Tick Size auf den Börsenhandel aus?
Aktualisiert: 15. Dez. 2022
Die Tick Size im Börsenhandel war in der Vergangenheit Gegenstand diverser Regulierungsbemühungen des Gesetzgebers. Denn ihre Granularität hat einen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Märkte, wie empirische Untersuchungen zeigen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Auswirkungen der Tick Size auf den Börsenhandel.
Definition
„Tick Size“ bezeichnet im Börsenwesen den möglichen Abstand zwischen zwei Preisstufen (Limitstufen) von Orders, so Erwägungsgrund 8 Delegierte Verordnung (EU) 2017/588. Die vom Handelsplatzbetreiber festgelegte Tick Size gibt somit Handelsteilnehmern vor, welche Preisstufen bei der Eingabe von Orderlimits zulässig sind. Das Limit einer Order muss ein ganzzahliges Vielfaches der für das jeweilige Finanzinstrument festgelegten Tick Size sein. Beispielsweise wäre bei einer Tick Size von 0,01 EUR ein Limit von 1,11 EUR zulässig, ein Limit von 1,115 EUR hingegen unzulässig. Als Folge der festgelegten Tick Size kann das Handelssystem auch nur solche Preise ermitteln, welche der Tick Size entsprechen.
Synonyme für „Tick Size“
Die folgenden Begriffe sind Synonyme:
Tick Size (englischer Begriff, u. a. verwendet in der englischen Sprachfassung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/588, zudem in Fachkreisen eingedeutscht)
Tick-Größe (u. a. verwendet in der deutschen Sprachfassung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/588)
Mindestpreisänderungsgröße (u. a. verwendet in § 26b BörsG)
Größe der kleinstmöglichen Preisänderung (u. a. verwendet in § 26b BörsG)
Notierungssprung (nur noch selten verwendet)
Einheit der Tick Size
Die Einheit der Tick Size hängt von der Art der Notierung ab. Grundsätzlich können zwei Notierungsarten voneinander unterschieden werden. Bei der Stücknotierung werden der Preis eines Finanzinstruments und konsequenterweise auch das Limit eines Auftrages in EUR oder einer anderen Währung pro Stück angegeben. Bei der Prozentnotierung wird der jeweilige Preis in Prozent vom Nennwert ausgedrückt (z. B. 97,5 % von 10.000 EUR).
Auswirkungen der Tick Size auf den Handel
Die Auswirkungen der Tick Size und deren Veränderungen auf den Wertpapierhandel waren bereits Gegenstand verschiedener empirischer Untersuchungen. Diese beruhen etwa auf Daten aus dem Jahr 1996, als kanadische Handelsplätze vollständig auf das Dezimalsystem umgestellt haben. In diesem Rahmen wurde die Tick Size für Aktienpreise ab 5,00 CAD von „Eighth“ (0,125 CAD) auf 0,05 CAD angepasst. Weiterhin beruhen die Untersuchungen auf Daten aus dem Jahr 2000, als die SEC eine Umstellung des Handels von „Sixteenth“ auf das Dezimalsystem angeordnet hat. Mit dieser Umstellung ging eine Verringerung der Tick Size von 1/16 USD (0,0625 USD) auf 0,01 USD einher. Das jüngste Ereignis, das umfassende Datenmengen für empirische Untersuchungen lieferte, war die europaweite Einführung des Tick-Size-Systems im Sinne von Art. 49 MiFID II zum 3. Januar 2018.
Untersuchungsergebnisse
Die empirischen Untersuchungen belegen, dass die Höhe der Tick Size die Marktqualität, insbesondere den Spread und die Markttiefe, sowie das Mitteilungsaufkommen beeinflusst:
So wurde festgestellt, dass der Spread bei einer geringeren Tick Size enger wird; gegenteilig verhält es sich bei einer höheren Tick Size.
Die Tick Size hat auch einen Effekt auf die Markttiefe (market depth), d. h. die Eigenschaft eines Marktes, in der Nähe der aktuellen Marktpreise ein stetiges Transaktionsinteresse bereitzustellen, um auch bei schockartigen Preisveränderungen ausreichend Transaktionsmöglichkeiten zu bieten und einem Austrocknen des Handels vorzubeugen. Da sich die Orders bei einer höheren Tick Size auf eine geringere Anzahl von möglichen Preisstufen konzentrieren, steigt die Markttiefe tendenziell. Gegenteiliges gilt bei einer geringeren Tick Size.
Die Höhe der Tick Size wirkt sich auch auf das Mitteilungsaufkommen aus. Das Mitteilungsaufkommen umfasst die Anzahl der an ein Handelssystem übermittelten Mitteilungen in einem bestimmten Zeitraum, insbesondere die Übermittlung, Änderung und Streichung von Orders oder Quotes. Bei einer höheren Tick Size wurde ein tendenziell verringertes Mitteilungsaufkommen beobachtet. Ein steigendes Mitteilungsaufkommen zeigt sich bei einer niedrigeren Tick Size. Das erhöhte Mitteilungsaufkommen folgt insbesondere aus einer verstärkten Aufspaltung von Orders in immer mehr Kleinstaufträge. Aufgrund des erhöhten Datenverkehrs kann sich theoretisch, so die Befürchtung des Gesetzgebers, in den elektronischen Handelssystemen ein Datenstau ergeben, weil dieses nur eine bestimmte Menge an Daten pro Zeiteinheit verarbeiten kann.
FAQ zur Tick Size
Was ist „Mitteilungsaufkommen“ im Börsenhandel?
Was ist eine Tick Size?
Was ist Markttiefe?
Ihr Ansprechpartner:
Dr. Hendrik Müller-Lankow
Rechtsanwalt, LL. M. (UCL)
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