Namensschuldverschreibung richtig strukturieren: Prospekt, Vertrieb, Alternativen
- RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)

- 30. Sep.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Okt.
Namensschuldverschreibungen sind ein flexibles Instrument der Unternehmensfinanzierung; ihre konkrete Ausgestaltung beeinflusst Prospektpflicht, Vertriebsmöglichkeiten und steuerliche Effekte. Dieser Beitrag ordnet die zentralen Stellschrauben – Verzinsung, qualifizierter Rangrücktritt, Prospekt und Vertrieb – systematisch ein und zeigt praxisrelevante Alternativen auf.

Was ist eine Namensschuldverschreibung?
Die Namensschuldverschreibung umschreibt eine schuldrechtliche Verbindung zwischen Gläubiger und Schuldner, deren Gegenstand grundsätzlich jedes Leistungsversprechen sein kann. Im Regelfall wird die Namensschuldverschreibung im Rahmen der Überlassung von Geld über einen bestimmten Zeitraum ausgegeben, also im Rahmen eines Darlehensvertrags. Die Namensschuldverschreibung verkörpert dann die Zins- und Rückzahlungsansprüche des Gläubigers. Sie kann dann auch als Anleihe bezeichnet werden.
Im Unterschied zur weitaus häufiger vorkommenden Inhaberschuldverschreibung wird die Namensschuldverschreibung auf einen bestimmten Gläubiger ausgestellt. Das heißt, der Schuldner (Emittent) hat nur an die namentlich benannte Person zu leisten. Bei der Inhaberschuldverschreibung ist der Schuldner demgegenüber zur Leistung an denjenigen verpflichtet, der Inhaber der Urkunde bzw. des Anteils an der zentralverwahrten Sammelurkunde ist.
Rechtsgeschäftlich übertragen wird die Namensschuldverschreibung durch Abtretung der Ansprüche aus dem Schuldverhältnis auf einen neuen Gläubiger. In der Regel enthalten die Anleihebedingungen nähere Bestimmungen zur Wirksamkeit von Abtretungen, insbesondere ein Anzeigeerfordernis gegenüber dem Schuldner (Emittenten). Inhaberschuldverschreibungen können demgegenüber frei übertragen werden. Hier erfolgt die Übertragung schlicht durch Abtretung des Eigentums an der Urkunde bzw. des Teileigentums am Anteil an der zentralverwahrten Sammelurkunde. Die Ansprüche aus der Inhaberschuldverschreibung gehen dann mit der Abtretung des Eigentums auf den neuen Gläubiger über.
Wie alle Schuldverschreibungen sind auch Namensschuldverschreiben Fremdkapitalinstrumente und dienen Unternehmen der Kapitalbeschaffung. Aus der Sicht der Kapitalgeber ist die Namensschuldverschreibung eine Kapitalanlage – aus diesem Grund greifen anlegerschützende Gesetze je nach Ausgestaltung in unterschiedlich starkem Umfang.
Was ist bei der Verzinsung zu beachten?
Bei der Verzinsung hat der Emittent weitestgehende Gestaltungsfreiheit. Sie kann fest oder variabel oder eine Kombination aus beidem sein. Bemessungsgrundlage von variablen Zinsen können interne Kennziffern (beispielsweise Gewinn oder Umsatz) oder externe Kennziffern (beispielsweise EURIBOR oder Inflation) sein. Es können zudem Zinsobergrenzen (caps), Zinsuntergrenzen (floors) oder Staffelzinsen vereinbart werden. Die Zinszahlung kann laufend oder am Ende der Laufzeit nachschüssig erfolgen. Auch ist ein Zerobond möglich, welcher nicht verzinst wird und mit einem Ausgabeabschlag (Disagio) ausgegeben wird.
Mit der variablen Verzinsung hat der Emittent die Möglichkeit, den Gläubiger (Anleger) in weitgehendem Maße am Unternehmenserfolg zu beteiligen und eigene Risiken aus fortlaufenden Zinszahlungen gering zu halten. Bei besonders hohem Unternehmenserfolg können hohe Zinszahlungen an Gläubiger (Anleger) durch einen Cap begrenzt werden. Eine vollständige Erfolgsbeteiligung – auch an Verlusten – würde jedenfalls bei Anlageangeboten für eine Vielzahl an Anlegern regelmäßig das hochregulierte Anwendungsfeld des KAGB eröffnen.
Warum ist es wichtig, einen qualifizierten Nachrang zu vereinbaren?
Die Überlassung von Geld über einen bestimmten Zeitraum erfüllt grundsätzlich den aufsichtsrechtlichen Tatbestand des Einlagengeschäfts und bedarf einer Erlaubnis (Banklizenz). Ausdrücklich ausgenommen vom gesetzlichen Tatbestand sind lediglich Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen, deren Rückzahlungsanspruch verbrieft ist. Namensschuldverschreibungen fallen nicht darunter.
Der gesetzliche Tatbestand setzt jedoch voraus, dass der Rückzahlungsanspruch aus der Geldüberlassung „unbedingt“ ist. Das ist nach der Aufsichtspraxis der BaFin bei einem qualifizierten Rangrücktritt nicht der Fall. Durch den Rangrücktritt wird die Rückzahlung des Darlehens gegenüber anderen Gläubigern für den Fall der Insolvenz oder Liquidation nachrangig gestellt. Zudem muss vereinbart werden, dass eine Befriedigung der Ansprüche außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigten Vermögen verlangt werden kann. Dementsprechend sind Unternehmen, die keine Kreditinstiute sind, zur Ausgabe von Namensschuldverschreibungen befugt, wenn diese einen qualifizierten Rangrücktritt enthalten.
Steuerliche Behandlung der Namensschuldverschreibung
Aus der Sicht des Emittenten sind die an Anleger (Gläubiger) ausgezahlten Zinsen Betriebsausgaben, welche den steuerlichen Gewinn mindern. Je nach Ertragslage und Struktur des Emittenten sollte jedoch bei der Finanzplanung die Zinsschranke frühzeitig in Betracht gezogen werden. Danach können Zinsen, grob gesagt, nur bis zur Höhe von 30 % des EBITDA abgezogen werden. In vielen Fällen greift die Regelung jedoch bereits dem Grunde nach nicht.
Aus der Sicht der Gläubiger (Anleger) sind die Zinszahlungen grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen, die mit einem Steuersatz von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. zzgl. Kirchensteuer besteuert werden.
Der Emittent ist gesetzlich verpflichtet, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und an die Finanzverwaltung abzuführen (Abgeltungssteuer), wenn das der Namensschuldverschreibung zugrundeliegende Darlehen ein „partiarisches Darlehen“ im steuerrechtlichen Sinne ist. Das wiederum ist typischerweise bei der Einräumung einer umsatz- oder gewinnabhängigen Erfolgsbeteiligung im Rahmen einer variablen Verzinsung der Fall.
Wann ist für eine Namensschuldverschreibung ein Prospekt zu erstellen?
Für die Frage, ob und nach welchem Regelwerk ein Emissionsprospekt zu erstellen ist, kommt es auf die aufsichtsrechtliche Einordnung der Namensschuldverschreibung an. Grundsätzlich kommt eine Einordnung als Wertpapier (EU-Prospektverordnung), als Anteil an einem Investmentvermögen (KAGB) oder als Vermögensanlage (VermAnlG) in Betracht.
Keine Anwendung der EU-Prospektverordnung
Der Anwendungsbereich der EU-Prospektverordnung ist eröffnet, wenn die Schuldverschreibung als Wertpapier im aufsichtsrechtlichen Sinne einzustufen ist. Zwar können die Rechte aus einer Namensschuldverschreibung auch in einer Urkunde verbrieft werden, wodurch die Namensschuldverschreibung zumindest im zivilrechtlichen Sinne als Wertpapier qualifiziert werden können. Für die aufsichtsrechtliche Einordnung als Wertpapier bedarf es jedoch der Fungibilität. Die ist bei Namensschuldverschreibungen nicht gegeben, weil sie lediglich durch Abtretung übertragen werden können. Daher fallen Namensschuldverschreibungen grundsätzlich nicht unter die Prospektverordnung.
Keine Anwendung des KAGB
Das KAGB wäre anwendbar, wenn die Namensschuldverschreibung als ein Anteil an einem Investmentvermögen zu qualifizieren wären. Maßgeblich hierfür ist insbesondere, ob es sich um einen Organismus „für gemeinsame Anlagen“ handelt. Das wiederum setzt eine Beteiligung der Anleger an den Gewinnen und Verlusten des Organismus voraus. Solange die Namensschuldverschreibung nicht auch eine Verlustbeteiligung umfasst, ist der Anwendungsbereich des KAGB nicht eröffnet. Wäre er eröffnet, wäre es unzulässig, die Anteile am Investmentvermögen als Namensschuldverschreibungen zu emittieren.
Die Namensschuldverschreibung fällt regelmäßig unter das Reglement des VermAnlG, welches subsidiär gegenüber der EU-Prospektverordnung und dem KAGB Anwendung findet. Die Namensschuldverschreibung, die nicht als Wertpapier ausgestaltet ist, ist eine explizit aufgeführte Form der Vermögensanlage. Daher ist grundsätzlich ein Verkaufsprospekt zu erstellen.
Das VermAnlG sieht jedoch diverse Ausnahmen von unter anderem der Prospektpflicht vor. Die am häufigsten in Anspruch genommene Ausnahme betrifft Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden oder der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 Euro je Anleger beträgt. Bei Schwarmfinanzierungen und sozialen oder gemeinnützigen Projekten gilt ebenfalls keine Prospektpflicht; allerdings bestehen einschränkende Vorgaben für den Vertrieb.
Besondere Vertriebsvorgaben nach dem VermAnlG
Besteht für die Namensschuldverschreibung eine Prospektpflicht nach dem VermAnlG, ist der Emittent nicht befugt, die Namensschuldverschreibung selbst zu vertreiben. Es ist also beispielsweise nicht möglich, Zeichnungen über die eigene Internetseite anzubieten. Stattdessen muss der Vertrieb durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen (KWG/WpIG) oder einen Finanzanlagenvermittler (GewO) im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung erfolgen, was die Handlungsfreiheit des Emittenten einschränkt. Denkbar ist, den Vertrieb über eine konzernangehörige Vertriebsgesellschaft zu strukturieren, die über eine relativ leicht zu erlangende Erlaubnis nach der GewO ferfügt. In jedem Fall muss für den Gläubiger (Anleger) eine Geeignetheits- bzw. Angemessenheitsprüfung vorgenommen werden.
Besteht keine Prospektpflicht, beispielsweise weil der Mindestanlagebetrag 200.000 Euro beträgt, besteht grundsätzlich auch keine Einschränkung beim Eigenvertrieb. Beim Vertrieb über Dritte, müssen dennoch von den Dritten die jeweiligen Anlegerschutzvorschriften beachtet werden, soweit einschlägig.
Besonders enge Vertriebsvorgaben bestehen bei Schwarmfinanzierungen (Crowd Fundings), wenn diese prospektfrei angeboten werden. Dann gelten neben dem Emissionshöchstbetrag von 6 Mio. Euro auch bestimmte Anlagehöchstbeträge für Anleger.
Beschränkungen durch das Blind-Pool-Verbot
Eine weitere wesentliche Einschränkung, welche mit der Prospektpflicht des VermAnlG einhergeht, ist das Verbot von Blind-Pool-Konstruktionen. Bei prospektpflichtigen öffentlichen Angeboten müssen die Anlageobjekte bereits einen nachweisbaren Realisationsgrad erreicht haben und die Anlageobjekte sind konkret zu benennen. Bei Immobilien sind unter anderem Standort, Größe sowie Nutzungsart anzugeben und bei Investitionen in die eigene Produktion sind genaue Angaben zu den Produkten zu leisten. Die BaFin hat ein Merkblatt mit detaillierten Anforderungen an einzelne Arten von Anlageobjekten veröffentlicht. Das Blind-Pool-Verbot besteht nicht, wenn kein Prospekt zu veröffentlichen ist (ausgenommen bei Schwarmfinanzierungen sowie sozialen und gemeinnützigen Projekten).
Ist ein KID oder ein VIB zu erstellen?
Ein Basisinformationsblatt (KID) im Sinne der PRIIPs-Verordnung ist bei Fremdkapitalinstrumenten im Regelfall nicht zu erstellen, da der rückzuzahlende Betrag – auch bei variabler Verzinsung – keinen Schwankungen aufgrund der Abhängigkeit von Referenzwerten oder von der Entwicklung eines oder mehrerer Vermögenswerte unterliegt. Ein KID kann jedoch zu erstellen sein, wenn die Namensschuldverschreibung auch an Kleinanleger vermarket wird und die Anleihebedingungen eine Make-Whole-Klausel enthalten.
Die Erstellung eines Vermögensanlagen-Informationsblatts (VIB) ist subsidiär gegenüber der Erstellung eines KID. Ist kein KID nach der PRIIPs-Verordnung zu veröffentlichen, geht die Pflicht zur Erstellung eines VIB grundsätzlich einher mit der Prospektpflicht. Ist kein Prospekt zu erstellen, bedarf es auch keines VIB. Eine Ausnahme bilden Schwarmfinanzierungen sowie soziale und gemeinnützige Projekte, für die lediglich ein VIB, aber kein Prospekt zu erstellen ist.
Fazit und Alternativen
Die Namensschuldverschreibung ist eines von mehreren möglichen Instrumenten der Kapitalbeschaffung. Bei ihrer rechtlichen Ausgestaltung bestehen große Freiheiten. Etwa können Gläubiger (Anleger) durch eine variable Verzinsung am unternehmerischen Risiko beteiligt werden. Aufgrund der Ausstellung auf den Namen kann der Emittent zudem eine engere Bindung zu den Gläubigern pflegen, als dies beispielsweise bei Inhaberschuldverschreibungen möglich wäre.
Die Regulierung durch das VermAnlG bringt aber auch Nachteile mit sich. Zunächst beträgt der Mindestanlagebetrag, ab dem ein prospektfreies Angebot möglich ist, 200.000 Euro, also doppelt so viel als der Mindestanlagebetrag für Wertpapiere (beispielsweise Inhaberschuldverschreibungen), deren öffentliches Angebot durch die EU-Prospektverordnung reguliert ist (100.000 Euro bei Wertpapieren). Bewegt man sich im Rahmen eines prospektpflichtigen Angebots, gestaltet sich die Prospekterstellung nach dem VermAnlG etwas aufwendiger als ein Prospekt nach der EU-Prospektverordnung, da die BaFin bei VermAnlG-Prospekten einen höheren Prüfungsehrgeiz an den Tag legt.
Ihr Ansprechpartner für Namensschuldverschreibungen und andere Finanzierungslösungen: Dr. Hendrik Müller-Lankow.







