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Rechtmäßigkeit börslicher Leerverkaufsverbote

  • Autorenbild: RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
    RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
  • vor 5 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 1 Tag


BKR-Beitrag

Müller-Lankow, in: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2025, S. 433 - 440


Grundsätzlich richtet sich die Zulässigkeit von Leerverkäufen nach der Short Selling Regulation (SSR). In der Marktpraxis haben jedoch bestimmte Börsen in ihren Regelwerken Leerverkaufsverbote etabliert, welche Leerverkäufe über den Regelungsumfang der SSR hinaus untersagen. Gegenstand dieses Beitrags ist die rechtliche Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Börsen befugt sind, ihren Handelsteilnehmern Leerverkäufe zu untersagen. Zu diesem Zweck wird zunächst der durch die SSR vorgegebene unionsrechtliche Rahmen für Leerverkäufe dargestellt (Abschnitt I). Sodann erhält der Leser einen Überblick über die Leerverkaufsverbote der Tradegate Exchange, der Börse München und der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) (Abschnitt II). Schließlich werden die formellen und materiellen Anforderungen an börsliche Leerverkaufsverbote herausgearbeitet (Abschnitt III). Fazit wird sein, dass allgemeine börsliche Leerverkaufsverbote grds. unzulässig sind, soweit diese nicht aufgrund besonderer Erfordernisse des Handels oder der Abwicklung gerechtfertigt sind (Abschnitt IV).


Inhaltsübersicht börsliche Leerverkaufsverbote
Müller-Lankow, BKR 2025, S. 433 - 440: Rechtmäßigkeit börslicher Leerverkaufsverbote


Inhaltsübersicht


I. Unionsrechtlicher Rahmen für Leerverkäufe

II. Börsliche Leerverkaufsverbote in der Praxis

1. Leerverkaufsverbot der Tradegate Exchange

2. Leerverkaufsverbot der Börse München

3. Leerverkaufsverbot der Frankfurter Wertpapierbörse

III. Formelle und materielle Anforderungen an die Rechtmäßigkeit börslicher Leerverkaufsverbote

1. Formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen

a. Zuständigkeit des Börsenrats

b. Verfahren, insb. börsenaufsichtsbehördliches Genehmigungserfordernis

(1) Abgrenzung zwischen den Inhalten der Börsenordnung und der Geschäftsbedingungen

(2) Übertragung der Grundsätze auf börsliche Leerverkaufsverbote

c. Form

2. Materielle Rechtmäßigkeitsanforderungen

a. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

b. Ausübung des Satzungsermessen innerhalb unionsrechtlicher Grenzen

IV. Fazit



A. Unionsrechtlicher Rahmen für Leerverkäufe


Der gesetzliche Rahmen für Leerverkäufe wird maßgeblich durch die Short Selling Regulation (SSR) bestimmt. Im Wesentlichen umfasst die Verordnung – neben der Meldepflicht bezüglich signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln gem. Art. 5 und 7 SSR und der Offenlegungspflicht bezüglich signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien gem. Art. 6 SSR – ein allgemeines Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln gem. Art. 12 und 13 SSR sowie behördliche Befugnisse, in Ausnahmesituationen Leerverkäufe von Aktien und Schuldinstrumenten gem. Art. 20 oder Art. 28 SSR zu verbieten oder zu beschränken oder bei einem signifikanten Kursverfall eines Finanzinstruments gem. Art. 23 SSR dessen Leerverkauf zu verbieten oder zu beschränken.


Das allgemeine Verbot ungedeckter Leerverkäufe bzw. die Verpflichtung, Leerverkäufe nur unter Anwendung einer der in Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 SSR geregelten Deckungsmethoden durchzuführen, soll das potenzielle Risiko senken, dass Abwicklungen scheitern und Marktvolatilität entsteht (ErwG 18 SSR). Es bezieht sich auf Aktien, die zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind (traded on a trading venue, TOTV) und deren Haupthandelsplatz nicht in einem Drittland liegt (Art. 16 Abs. 1 SSR), sowie öffentliche Schuldtitel. Darüber hinaus regelt Art. 14 SSR ein Verbot ungedeckter Positionen in Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel, welches jedoch vorliegend nicht näher betrachtet wird.


Die Verpflichtung, Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln gem. Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 SSR nur unter Anwendung einer der dort genannten Deckungsmethoden durchzuführen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es aufgrund der Marktgegebenheiten nur insoweit sinnvoll möglich ist, Deckungsmethoden wie Wertpapierdarlehen oder Lokalisierungszusagen durchzuführen. Bei anderen Finanzinstrumenten, etwa Unternehmensanleihen, besteht bspw. kein funktionierender Markt für Wertpapierdarlehen.


Der für das Leerverkaufsverbot zentrale Begriff des Leerverkaufs wird in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b SSR definiert. Leerverkauf ist demnach ein Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden. Der für den Leerverkauf wiederum zentrale Begriff des Eigentums wird in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 DelVO (EU) Nr. 918/2012 spezifiziert. Danach ist das rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum maßgeblich, je nach dem für die Übertragung maßgeblichem Recht. Für Wertpapiere, die nach deutschem Recht übertragen werden, kommt es demnach auf das sachenrechtliche Eigentum an. Für den Fall, dass ein Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten innerhalb der Lieferfrist von zuvor entsprechend erworbenen Aktien oder Schuldinstrumenten erfolgt, regelt Art. 3 Abs. 2 Buchst. b DelVO (EU) Nr. 918/2012, dass trotz fehlenden Eigentums im Zeitpunkt des Verkaufs bereits begrifflich kein Leerverkauf vorliegt.


Leerverkäufe von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln sind ungedeckt, wenn nicht vor dem Verkauf eine der in Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 SSR genannten Deckungsmethoden angewandt wurde. Die Struktur beider Regelungen ist ähnlich. In beiden Fällen liegt bspw. kein ungedeckter Leerverkauf vor, wenn eine Leihvereinbarung getroffen wurde, kraft derer das Geschäft bei Fälligkeit abgewickelt werden kann. Eine weitere in der Praxis sehr relevante Deckungsmethode ist die Lokalisierungszusage, mit welcher ein Dritter bestätigt, dass er die zu verkaufenden Aktien bzw. öffentlichen Schuldtitel fristgerecht zur Verfügung stellen kann. Darüber hinaus gelten bestimmte Sonderregelungen und Ausnahmen, die in diesem Beitrag nicht näher erläutert werden.



II. Börsliche Leerverkaufsverbote in der Praxis


In der Marktpraxis haben sich verschiedentlich allgemeine börsliche Leerverkaufsverbote etabliert. Diese wurden entweder in der Börsenordnung oder in den Bedingungen für Geschäfte an der Börse (Geschäftsbedingungen) geregelt und beziehen sich auf sämtliche börslich gehandelten Instrumente oder in einem Fall lediglich auf strukturierte Produkte.


In der nachfolgenden Darstellung bleibt die gem. § 15 Abs. 7 BörsG bestehende Befugnis der Börsengeschäftsführung, bei einem signifikanten Kursverfall von Finanzinstrumenten gem. Art. 23 Abs. 1 SSR den Leerverkauf zu verbieten oder zu beschränken, außer Betracht.


- Ende des Textauszugs -


Gesamter Aufsatz: BKR 2025, S. 433 - 440

  • Wertpapierhandel und ‑dienstleistungen

  • Marktinfrastruktur und Verwahrung

  • Fondsverwaltung und ‑vertrieb

  • Zahlungs- und Kryptodienste

  • Emissionshandelssystem (EU-EHS)

  • Anti-Geldwäsche und Sanktionen

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