Systematische Internalisierer (SI): Aktueller Stand der Regulierung nach dem MiFID II/MiFIR-Review und der BaFin-Praxis
- RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
- 27. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Der Rechtsrahmen für Systematische Internalisierer (SI) wurde im Rahmen des MiFID/MiFIR-Review teilweise erheblich angepasst: Von einer Neufassung der SI-Definition über den Wegfall der Vorhandelstransparenz für Nichteigenkapitalinstrumente bis zu Anpassungen bei der Quotierungspflicht. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Was ist ein Systematischer Internalisierer (SI)? – Neufassung der gesetzlichen Definition
Der „Systematische Internalisierer“ (kurz: SI) ist ein technischer Begriff des Finanzaufsichtsrechts. Er beschreibt Marktteilnehmer, die anderen Marktteilnehmern außerhalb regulierter Handelsplätze (OTC) in nicht nur unerheblichem Maße fortlaufend Liquidität bereitstellen, das heißt Käufe und Verkäufe anbieten.
Aufsichtsrechtlich maßgeblich ist jedoch die gesetzliche Definition. Diese ist in § 2 WpIG enthalten. Aufgrund des MiFID-Review bezeichnet die systematische Internalisierung fortan das organisierte, häufige und systematische Betreiben von Handel mit Eigenkapitalinstrumenten für eigene Rechnung, indem Kundenaufträge außerhalb eines organisierten Marktes oder eines MTF oder OTF ausgeführt werden, ohne ein multilaterales System zu betreiben. Den Status eines SI kann darüber hinaus auch derjenige führen, der sich freiwillig hierfür entscheidet.
Die vorstehende Definition beruht auf dem neuen Wortlaut der SI-Definition der MiFID (gemäß RL (EU) 2024/790), welche bis 29.09.2025 in nationales Recht umzusetzen ist. Die deutsche Umsetzung war ursprünglich im Entwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II) angelegt, welcher Anfang 2025 noch von der Ampelregierung in den Bundestag eingebracht wurde. Zu einer Verabschiedung kam es jedoch aufgrund der Neuwahl nicht. Die BaFin wendet die neue Definition aber bereits schon heute an.
Die neue Definition der systematischen Internalisierung hat zwei wesentliche Änderungen erfahren. Erstens ist sie nunmehr auf den Handel von Eigenkapitalinstrumenten (Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente) beschränkt. Die ursprüngliche Definition schloss auch Nichteigenkapitalinstrumente (Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate) mit ein. Zweitens verlangt die Definition nicht mehr, dass ein Handel in erheblichem Umfang erfolgt; ein häufiger systematischer Handel ist jedoch weiterhin Tatbestandsvoraussetzung.
Wegfall der Schwellenwerte: Qualitative Bewertung anstatt quantitativer Berechnung
Bisher waren für die Parameter „häufiger systematischer Handel“ und „Handel in erheblichem Umfang“ quantitative Berechnungen vorzunehmen, deren Methodik die EU-Kommission in der DelVO (EU) 2017/565 (MiFID II DV) festgelegt hat. Damit ging jedoch sowohl auf der Seite der Wertpapierfirmen als auch auf der Seite der ESMA ein erheblicher Arbeitsaufwand einher. Denn die Wertpapierfirmen, welche nicht bereits als SI qualifizierten, mussten ihre Handelstätigkeit quartalsweise analysieren und mit Referenzdaten abgleichen. Die ESMA musste diese Referenzdaten ermitteln und den Wertpapierfirmen zur Verfügung stellen. Dieser beidseitige Aufwand führte letztendlich zu einer Abkehr von der quantitativen SI-Berechnung (ErwG 7 RL (EU) 2024/790).
Vollzogen wurde diese Abkehr bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist (29.09.2025). Die ESMA hat bereits die Bereitstellung der Daten zum Q4 2024 eingestellt. Dem entsprechend hat die BaFin Verstöße gegen die Meldepflicht nach § 79 Satz 1 WpHG nicht verfolgt, obwohl die gesetzlichen Regelungen zur quantitativen SI-Berechnung formal noch in Kraft waren.
Bei der neuen SI-Definition ist eine qualitative Bewertung dahingehend vorzunehmen, ob ein häufiger systematischer Handel erfolgt. Eine behördliche Spezifizierung dieses nunmehr qualitativ auszulegenden Begriffs ist bisher (Stand: 27.09.2025) nicht erfolgt. Der BaFin steht also ein gewisser Einschätzungsspielraum zu.
Vorhandelstransparenz: Wegfall bei Nichteigenkapitalinstrumenten
Eine der bedeutsamsten aufsichtsrechtlichen Verpflichtung von Systematischen Internalisierern (SI) ist ihre Verpflichtung zur Vorhandelstransparenz gemäß der MiFIR. Vorhandelstransparenz bedeutet die unverzügliche Veröffentlichung der aktuellen Kauf- und Verkaufspreise, zu welchen der SI bereit ist, Geschäfte mit seinen Kunden zu schließen. Die gesetzliche Verpflichtung greift grundsätzlich für Preisofferten, die sich auf ein übliches Handelsvolumen beziehen; Preisofferten für große Handelsvolumen sind nicht zu veröffentlichen.
Bisher bezog sich die Verpflichtung zur Vorhandelstransparenz sowohl auf Eigenkapitalinstrumente (Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente) als auch auf Nichteigenkapitalinstrumente (Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate). Die Verpflichtung unterschied sich je nach Instrumentengattung, war aber grundsätzlich für beide angelegt.
Mit der Umsetzung des MiFIR-Reviews ist die Verpflichtung zur Vorhandelstransparenz für Nichteigenkapitalinstrumente ersatzlos entfallen. Der europäische Gesetzgeber begründet den teilweisen Wegfall der Vorhandelstransparenz damit, dass die Kursofferten für Nichteigenkapitalinstrumente auf einzelne Kunden zugeschnitten seien und für andere Kunden einen geringen Informationswert hätten (ErwG 14 VO (EU) 2024/791).
Für Eigenkapitalinstrumente besteht die Verpflichtung zur Vorhandelstransparenz weiterhin. Ebenso gelten die Pflichten zur Nachhandelstransparenz sowohl für Eigenkapital- als auch für Nichteigenkapitalinstrumente fort.
Vorhandelstransparenz bei Eigenkapitalinstrumenten entfällt erst ab der doppelten Standardmarktgröße
Bisher galten die SI-Pflichten zur Vorhandelstransparenz bei Eigenkapitalinstrumenten nur bei der Ausführung von Kundenaufträgen bis zur Standardmarktgröße (standard market size, SMS) des jeweiligen Instruments. Die ESMA ermittelt die Standardmarktgrößen nach näherer Vorgabe der DelVO (EU) 2017/587 (RTS 1) und veröffentlicht die Ergebnisse jährlich. Seit dem MiFIR-Review entfällt die Vorhandelstransparenz mehr bereits ab der Standardmarktgröße. Stattdessen soll nach dem ESMA-Entwurf zu Änderung RTS 1 (ESMA74-2134169708-7636) die doppelte Standardmarktgröße maßgeblich sein. Gleichzeitig wird die Standardmarktgröße künftig nach ausdifferenzierteren Kriterien berechnet und sinkt im Ergebnis tendenziell.
Mindestquotierungsvolumen auf die Standardmarktgröße angehoben
Vor der Umsetzung des MiFIR-Reviews waren SI verpflichtet, bei Eigenkapitalinstrumenten verbindliche Kursofferten in Höhe von mindestens 10 % der Standardmarktgröße abzugeben. Nach dem ESMA-Entwurf zu Änderung RTS 1 (ESMA74-2134169708-7636) soll das Mindestquotierungsvolumen nun der Standardmarktgröße entsprechen.
Veröffentlichung von Kursofferten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen
Die Veröffentlichung von Vorhandelsinformationen von Systematischen Internalisierern (SI) gegenüber anderen Marktteilnehmern als den Kunden des SI muss zu „angemessenen kaufmännischen Bedingungen“ erfolgen. Bisher hat die ESMA nähere Anforderungen hierzu durch eine Leitlinie geregelt (ESMA70-156-4263). Im Rahmen des MiFIR-Reviews hat der Gesetzgeber die Europäische Kommission ermächtigt, die näheren Anforderungen durch delegierten Rechtsakt zu regeln. Dadurch möchte er erreichen, dass die betroffenen Institutionen „nicht in der Lage sind, Gebühren für Daten entsprechend dem Wert, den die Daten für einzelne Nutzer darstellen, zu erheben“ (ErwG 12 VO (EU) 2024/791).
Status einer benannten veröffentlichenden Einrichtung
Für außerhalb von Handelsplätzen geschlossene Geschäfte (OTC-Geschäfte) zwischen Wertpapierfirmen regelte bisher die DelVO (EU) 2017/587 (RTS 1), welcher der beiden Kontrahenten das Geschäft unverzüglich nach dessen Zustandekommen an ein genehmigtes Veröffentlichungssystem (approved publication arrangement, APA) bekanntzugeben hat. Ist eine der beteiligten Wertpapierfirmen ein SI, ist jedoch nur dieser zur Bekanntgabe des Geschäfts verpflichtet. Das veranlasste nach den Angaben des europäischen Gesetzgebers Wertpapierfirmen teilweise dazu, sich freiwillig für den Status eines systematischen Internalisierers zu entscheiden, um für ihre Kunden die Bekanntgaben durchführen zu können (das heißt als Teil eines Dienstleistungspakets). Das wiederum habe zu unverhältnismäßigen Anforderungen an diese Wertpapierfirmen geführt (ErwG 15 (EU) 2024/791). Daher ermöglicht die MiFIR nun Wertpapierfirmen, den Status einer benannten veröffentlichenden Einrichtung zu erlangen. Ist nach dieser Regelung nur eine an einem Geschäft beteiligte Partei eine solche Einrichtung ist, so ist nur diese Partei zur Bekanntgabe des Geschäfts an ein APA verpflichtet. Auf den SI-Status wird nach der von der ESMA geplanten Änderung der RTS 1 (ESMA74-2134169708-7636) nicht mehr ankommen.
Synchronisierung der verwendeten Uhren
Bisher waren lediglich Betreiber von Handelsplätzen (unter anderem Börsen) und ihre Mitglieder oder Teilnehmer auf der Grundlage der MiFID durch nationale Regelungen verpflichtet, die im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren nach näherer Maßgabe der DelVO (EU) 2017/574 zu synchronisieren. Die Level-1-Verpflichtung wurde nun in die MiFIR überführt und betrifft fortan unter anderem auch SI. Dies dient der Sicherstellung eines sinnvollen Vergleichs der im Kontext der Konsolidierung von Daten von verschiedenen Einrichtungen gemeldeten Zeitstempel (ErwG 20 (EU) 2024/791).
Rechtsberatung zu Handels- und Nachhandelsstrukturen
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