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Börsliche Eindeckungsverfahren (Buy-ins) im Lichte von Art. 15 SSR und Art. 7a CSDR

  • Autorenbild: RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
    RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)
  • 7. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit

Im täglichen Wertpapiergeschäft kommt es regelmäßig zu verspäteten Belieferungen. Deutsche Börsen haben diese Problematik aufgegriffen und bieten ihren Handelsteilnehmern schon seit vielen Jahren Regelungen zur zwangsweisen Durchsetzung von Lieferansprüchen (auch: Eindeckungsverfahren, Selbstvornahme, Zwangsregulierung, Buy-ins) an. Dieser Beitrag ordnet die börslichen Eindeckungsverfahren rechtlich ein und zeigt die Konkurrenzverhältnisse zu den Buy-in-Regelungen der Short Selling Regulation (SSR) und der Central Securities Depositories Regulation (CSDR).


Stand: Oktober 2025.


Symbolbild: Börsliche Eindeckungsverfahren im Lichte von Art. 15 SSR und Art. 7a CSDR


Was sind Eindeckungsverfahren?


Das Eindeckungsverfahren beschreibt im Kontext des Wertpapierhandels ein Verfahren zur zwangsweisen Erfüllung von nicht belieferten Wertpapiergeschäften. Das Verfahren kann auch als Selbstvornahme, Zwangsregulierung oder Buy-ins bezeichnet werden. Grundsätzlich können Eindeckungen sowohl von den Parteien des Geschäfts als auch von hierzu beauftragten Dritten vorgenommen werden, je nach Vereinbarung oder gesetzlicher Regelung.


Im täglichen Wertpapiergeschäft kommt es regelmäßig dazu, dass der Verkäufer eines Wertpapiers seiner Verpflichtung zur Lieferung der verkauften Wertpapiere nicht rechtzeitig nachkommt. Die Gründe hierfür können vielschichtig sein. Nach einer Untersuchung der ICMA sind ca. 71% der verspäteten Belieferungen auf einen nicht ausreichenden eigenen Bestand des Verkäufers zurückzuführen. Ein weiterer wichtiger Grund sind fehlerhafte Abwicklungsinstruktionen.



Rechtsgrundlage für börsliche Eindeckungsverfahren


Regelungen zu Eindeckungsverfahren sind dem deutschen Börsenrecht nicht fremd. Sie finden sich schon seit vielen Jahren in den Regelwerken der Börsen. Geregelt sind sie in den „Bedingungen für Geschäfte an der Börse“ (Börsengeschäftsbedingungen) im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BörsG. Die Verortung in den Börsengeschäftsbedingungen ist zwingend, da in ihnen das bilaterale Rechtsverhältnis zwischen den Handelsteilnehmern aus Geschäftsabschlüssen ausgestaltet wird (näher Müller-Lankow, BKR 2024, 433, 437 f.). Die Regelungen zu Eindeckungsverfahren gehören zum besonderen Leistungsstörungsrecht und berühren unmittelbar die bilateralen Vertragsverhältnisse der Handelsteilnehmer untereinander.


Eine spezifische Rechtsgrundlage für börsliche Eindeckungsverfahren gibt es nicht. Es besteht die Möglichkeit, eine Verpflichtung der Börse zur Regelung von Eindeckungsverfahren sinngemäß abzuleiten aus § 16 Abs. 2 Nr. 2 BörsG, wonach die Börsenordnung einer Wertpapierbörse auch Bestimmungen zur Sicherstellung der Börsengeschäftsabwicklung enthalten muss, und aus § 5 Abs. 4 Nr. 3 BörsG, wonach der Börsenträger die Voraussetzungen für einen reibungslosen und zeitnahen Abschluss der im Handelssystem geschlossenen Geschäfte zu schaffen hat. Die Ratio dieser Regelung kann auch auf Börsengeschäftsbedingungen übertragen werden. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Wenn man eine Pflicht der Börse zur Regelung von Eindeckungsverfahren verneint, ist ihr zumindest ein solches Recht zuzubilligen. Dies folgt aus dem allgemeinen Selbstverwaltungsrecht der Börse.



Verhältnis zu den Buy-in-Regimen nach Art. 15 SSR und Art. 7a CSDR


Art. 7a der Central Securities Depositories Regulation (CSDR) in Verbindung mit der DelVO (EU) 2018/1229 enthalten zwar Regelungen betreffend Eindeckungsverfahren (Buy-in-Verfahren), die grundsätzlich auch für die Börse verpflichtend sind. Diese Regelungen finden jedoch noch keine Anwendung, weil die Europäische Kommission den nach Art. 7a Abs. 1 CSDR erforderlichen Rechtsakt noch nicht erlassen hat. Bis zu diesem Rechtsakt hat das in Art. 7a CSDR geregelte Buy-in-Regime keinen Anwendungsbereich. Die Ingangsetzung der Buy-in-Regelungen der CSDR wurde seit 2014 mehrfach hinausgeschoben (näher Müller-Lankow, WM 1641, 1642 f.).


Im Gegensatz zu Art. 7a CSDR ist Art. 15 der Short Selling Regulation (SSR) bereits seit dem Jahr 2012 in Kraft. Die SSR-Regelung hat jedoch einen weitaus engeren Anwendungsbereich. Denn sie erstreckt sich einerseits nur auf Aktien und andererseits nur auf solche Geschäfte über Aktien, die von einer zentralen Gegenpartei gecleart werden. Nicht geclearte Aktien und alle Geschäfte über sonstige Finanzinstrumente unterliegen nicht dem Eindeckungsmechanismus der SSR (näher Müller-Lankow, WM 1641, 1644). Für an der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) geschlossene Geschäfte übernehmen die Eurex Clearing AG oder der Cboe Clear Europe N.V. das Clearing, soweit die Börsengeschäftsführung ein Clearing angeordnet hat; ein Clearing erfolgt hauptsächlich bei hochliquiden Aktien.



Unterschiedliche Regelungen je nach Börse


Deutsche Börsen haben Eindeckungsverfahren bisher unter den Bezeichnungen „Selbstvornahme“ oder „Zwangsregulierung“ geregelt. Die Regelungen unterscheiden sich im Detail. Im Allgemeinen gilt jedoch, dass im Falle einer nicht rechtzeitigen Lieferung der nicht belieferte Handelsteilnehmer den säumigen Handelsteilnehmer unter Setzung einer Nachfrist zur Lieferung auffordern und nach Fristablauf einen Ersatzkauf durchführen kann. Teilweise ist der Ersatzkauf an der jeweiligen Börse durchzuführen, teilweise kann er aber auch an einem anderen Handelsplatz oder durch Selbsteintritt erfolgen.


Da die an der FWB geschlossenen Aktiengeschäfte teilweise über eine zentrale Gegenpartei gecleart werden, kann es zu einer Kollision des börslichen Eindeckungsverfahrens mit dem Eindeckungsverfahren der zentralen Gegenpartei im Sinne von Art. 15 SSR (siehe oben) kommen, welche das Regelwerk der FWB jedoch zugunsten der insoweit einschlägigen Regelungen der zentralen Gegenpartei auflöst.


In der Praxis wird von den börslichen Möglichkeiten der Selbstvornahme bzw. Zwangsregulierung (Buy-ins) nur sehr selten Gebrauch gemacht.



Fazit und Ausblick


Die Regelungen zur Abwicklungsdisziplin folgen einer gut gemeinten Intention: die Verringerung von Lieferverzögerungen im Wertpapiergeschäft. Tatsächlich konnten sich Eindeckungsverfahren in den letzten zehn Jahren nur für bestimmte liquide Aktien durchsetzen. Eine Umsetzung in der Breite scheiterte bisher an zwei Gründen: für sämtliche Wertpapiere machen sie weder Sinn noch sind sie sinnvoll umsetzbar.


Bei sehr liquiden Wertpapieren sind Buy-ins hingegen gut umsetzbar. Denn es sind jederzeit genug Wertpapiere am Markt verfügbar, mit denen eingedeckt werden kann. Auf der anderen Seite macht die Etablierung von Eindeckungsverfahren insoweit wenig Sinn, da es aufgrund der Liquidität und gut funktionierender Wertpapierleihemärkte zu Lieferverzögerungen in nur vernachlässigbarem Umfang kommt.


Lieferverzögerungen ereignen sich weitaus überwiegend bei Wertpapieren mit geringer Liquidität. Würde man hier obligatorische Eindeckungsverfahren einführen, könnten Wertpapiere häufig nur mit erheblichen Preisaufschlägen im Buy-in erworben werden. Betroffen wären hiervon wiederum in großem Umfang liquiditätsbereitstellende Marktteilnehmer (Market-Maker, Skontroführer, Liquidity Provider). Aufgrund ihres höheren Verlustrisikos würden diese ihre Liquidität wiederum nur zu für Anleger schlechtere Preise zur Verfügung stellen, indem sie ihre Handelsspanne (Spread) erhöhen, oder sie würden sich bei illiquiden Wertpapieren ganz aus der Preisstellung zurückziehen. Das ist der Punkt, wo sich die Katze in den Schwanz beißt. Denn funktionsfähige und liquide Kapitalmärkte sind auch von der europäischen Gesetzgebung erklärte Ziele.


Vor diesem Hintergrund wird es meines Erachtens nur zu einer Ingangsetzung von Art. 7a CSDR für liquide Aktien kommen. Denn insoweit hinterlässt ein Buy-in-Regime keinen Schaden an der Liquidität des Handels. Art. 15 SSR würde dann außer Kraft gesetzt werden. Wie genau es weitergeht, bleibt aktuell jedoch noch abzuwarten.


Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Hendrik Müller-Lankow.

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