Active Account Requirement: Zentrale Neuerung der EMIR-3-Reform
- RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)

- 13. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 22 Stunden
Aktives EU-CCP-Konto: Pflicht, Mindestnutzung, Umsetzung – kompakt erklärt.

Wesentlicher Bestandteil von EMIR 3 (VO (EU) 2024/2987) ist die Einführung einer Pflicht zur Einrichtung und aktiven Nutzung eines Clearingkontos bei einer Zentralen Gegenpartei (central counter party, CCP), welche in der EU bzw. dem EWR niedergelassen und nach der EMIR zugelassen ist (bspw. der EUREX Clearing). Der europäische Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, Clearingdienstleistungen von wesentlicher Systemrelevanz jedenfalls teilweise aus Drittstaaten in den eigenen Einflussbereich zu verlagern.
Die Active-Account-Anforderung umfasst drei Säulen: operationale Pflichten, eine Repräsentativitätspflicht und Meldepflichten. Die operationalen Pflichten betreffen die Einrichtung und Unterhaltung eines nutzbaren Clearingkontos bei einer EU/EWR-CCP. Repräsentativitätspflicht bezeichnet die Verpflichtung, einen repräsentativen Anteil an Derivatekontrakten über das aktive Konto clearen zu lassen. Und die zusätzlichen Meldepflichten betreffen Angaben zum Derivateportfolio sowie bestimmte Angaben zur AAR-Compliance. Ob die vorgenannten Pflichten teilweise, ganz oder gar nicht greifen, hängt von Art und Umfang des Derivatehandels bzw. Derivateportfolios ab.
Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Anforderungen an das aktive Konto, welches aufgrund von EMIR 3 bei einem EU/EWR-CCP einzurichten und zu nutzen ist.
Hintergrund der Active Account-Anforderung
Die außerhalb der EU bzw. dem EWR belegenen Clearinghäuser London Clearing House (LCH), genauer LCH SwapClear, sowie ICE Clear Europe (ICEU) haben sich, mit großem Abstand, zu Marktführern für das Clearing von Zinsderivaten entwickelt, einschließlich solchen, die auf Euro denominiert sind. Bspw. gibt LCH an, dass über 95 % der Vanilla-Zinsswaps über ihre Plattform gecleart werden.
Aufgrund des Brexits sahen sich die Gegenparteien auf dem europäischen Festland der Gefahr ausgesetzt, den Zugang zu diesem attraktiven Liquiditätspool zu verlieren. Denn die Clearingpflicht nach EMIR ist grundsätzlich über eine EU/EWR-CCP zu erfüllen. Um Wettbewerbsnachteile beim Zinsderivateclearing zu vermeiden, hat die ESMA jedoch LCH und ICEU als Drittstaaten-CCP anerkannt und dadurch weiterhin den Zugang von EU-Gegenparteien zu deren Clearingdiensten ermöglicht.
EU-Institutionen stehen jedoch der Marktmacht von LCH und ICEU – außerhalb ihres direkten Einflussbereichs – kritisch gegenüber. Die ESMA merkte bspw. an, die finanzielle Notlage eines Drittstaaten-CCP mit wesentlicher Systemrelevanz könne sich auf die Finanzstabilität der EU auswirken (ESMA91-372-1913). Die Active Account Requirement dient der teilweisen Verlagerung von Clearingdienstleistungen auf EU/EWR-CCP (ErwG 11 VO (EU) 2024/2987).
Seit wann gilt die Active Account Requirement nach EMIR 3?
EMIR 3, einschließlich der Regelungen zum aktiven Konto, wurde durch die VO (EU) 2024/2987 umgesetzt, die am 24.12.2024 in Kraft getreten ist. Für Gegenparteien, welche der AAR erstmals unterliegen, gewährt EMIR eine Umsetzungsfrist von sechs Monaten. Daher waren die Regelungen zum aktiven Konto von Gegenparteien, welche bereits zum Inkrafttreten von EMIR 3 in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der AAR fielen, erstmals seit dem 24.06.2025 anzuwenden.
Auf welche OTC-Derivate bezieht sich die AAR?
Der sachliche Anwendungsbereich der Verpflichtung, ein aktives Konto bei einem EU/EWR-CCP zu führen (AAR), gilt in Bezug auf folgende Kategorien von Derivatekontrakten (nachfolgend auch: AAR-Kontraktkategorien):
auf Euro oder polnische Zloty lautende Zinsderivate;
auf Euro lautende kurzfristige Zinsderivate (short-term interest rate derivatives, STIR).
Die ESMA ist befugt, die Liste der Kontrakte, die der Pflicht zur Führung eines aktiven Kontos unterliegen, zu ändern, soweit sie eine wesentliche Systemrelevanz feststellt. In ihrem Bericht aus dem Dezember 2021 (ESMA91-372-1913) hat die ESMA auch den damals an der ICE Clear Europe (ICEU) geclearten auf Euro denominierten Kreditausfallswaps (Credit Default Swaps, CDS) eine wesentliche Systemrelevanz beigemessen. Da jedoch entsprechende Kontrakte nicht mehr von der ICEU gecleart werden, erstreckt sich das AAR nicht auch auf EUR-CDS.
Die Active Account Requirement kann notwendigerweise nur in Bezug auf solche relevanten Kontrakte greifen, für welche EU/EWR-CCP überhaupt ein Clearing anbieten. Das ist jedoch in Bezug auf alle relevanten Kontrakte der Fall.
Wer ist verpflichtet, ein aktives Konto bei einem EU/EWR-CCP zu führen?
Der persönliche Anwendungsbereich der AAR kann sowohl für finanzielle Gegenparteien (FCs) als auch nichtfinanzielle Gegenparteien (NFCs) eröffnet sein. Die Gruppe der finanziellen Gegenparteien umfasst insbesondere Banken, Wertpapierinstitute, Versicherungsunternehmen und AIF/OGAW-Verwaltungsgesellschaften. Nichtfinanzielle Gegenpartei kann grds. jedes Unternehmen sein.
Die Verpflichtung, ein aktives Konto bei einem EU/EWR-CCP zu führen, entsteht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Die Gegenpartei unterliegt der Clearingpflicht. Finanzielle und nichtfinanzielle Gegenparteien unterliegen der Clearingpflicht, wenn ihre aggregierte durchschnittliche Monatsendposition in Bezug auf einen clearingpflichtigen Kontrakt für die vorausgegangenen zwölf Monate die maßgebliche Clearingschwelle überschreitet. Wenn eine finanzielle Gegenpartei die Clearingschwelle überschreitet, wird sie in Bezug auf alle clearingpflichtigen Kontrakte clearingpflichtig. Bei einer nichtfinanziellen Gegenpartei entsteht die Clearingpflicht nur in Bezug auf den Kontrakt, bei dem die Clearingschwelle überschritten wurde, sofern die Positionen nicht objektiv messbar zur Reduzierung von Risiken beitragen.
Überschreiten der Clearingschwelle für AAR-Kontraktkategorien. Die Clearingschwelle muss entweder in Bezug auf eine AAR-Kontraktkategorie oder aggregiert in Bezug auf alle AAR-Kontraktkategorien überschritten werden. Für OTC-Zinsderivatekontrakte liegt die Clearingschwelle bei einem Bruttonennwert von 3 Mrd. Euro. Für die Berechnung sind ebenfalls die aggregierte durchschnittliche Monatsendpositionen der vorausgegangenen zwölf Monate maßgeblich.
Welche Besonderheiten gelten für aufsichtlich konsolidierte Unternehmensgruppen?
Im Rahmen der Feststellung, ob eine Gegenpartei die Clearingschwelle in Bezug auf die AAR-Kontraktkategorien überschreitet, gelten für Unternehmen, die Teil einer aufsichtlich konsolidiert beaufsichtigten Gruppe (nach CRD/CRR, IFD/IFR, SII oder FICOD) sind, besondere Vorgaben. Sie berücksichtigen bei der Feststellung, ob sie in Bezug auf die AAR-Kontraktkategorien die Clearingschwelle überschreiten, diejenigen Derivatekontrakte, die von dieser Gegenpartei und von anderen Unternehmen der Gruppe gecleart werden, ausgenommen gruppeninterne Geschäfte (Intragruppengeschäfte). Bei der Berechnung sind die Derivatekontrakte sämtlicher Gruppenunternehmen zu berücksichtigen. Dies schließt Drittstaatenunternehmen mit ein, damit kein Anreiz gesetzt wird, Clearingtätigkeiten aus der EU heraus zu verlagern (ErwG 12 VO (EU) 2024/2987).
Operationale Verpflichtungen in Bezug auf das aktive Konto
Unterliegt eine Gegenpartei der Active Account Requirement, folgen daraus neben der Repräsentativitäts- und Meldepflicht im Kern zwei operationale Verpflichtungen:
Dauerhafte Funktionstüchtigkeit. Das aktive Konto bei einem EU/EWR-CCP muss dauerhaft funktionieren, d. h. es muss eine rechtliche Dokumentation vorliegen, die IT-Konnektivität muss vorhanden sein und die mit dem Konto verbundenen internen Prozesse müssen funktionieren.
Nutzbarkeit für hohe Volumina und Geschäftsanzahl. Die Gegenpartei muss über Systeme und Ressourcen verfügen, um das aktive Konto operativ auch kurzfristig für große Volumina und eine große Anzahl an Geschäften nutzen zu können. Neue Geschäfte müssen jederzeit auf dem Konto gecleart werden können.
Die operationalen Anforderungen werden mindestens einmal jährlich einem Stresstest unterzogen. Dieser soll sicherstellen, dass das aktive Konto einen erheblichen Anstieg der Clearingaktivitäten verarbeiten kann. Einzelheiten zu den operationalen Verpflichtungen und den Stresstests werden in technischen Durchführungsstandards (RTS) geregelt (Entwurf der ESMA), mit deren Inkrafttreten zum Q4 2025 gerechnet wird.
Gegenparteien sind von den operationalen Anforderungen und den Stresstests befreit, wenn sie mindestens 85 % ihrer Derivatekontrakte, die zu einer der AAR-Kontraktkategorien gehören, über einen EU/EWR-CCP clearen.
Repräsentativitätspflicht
Wesentliche Pflicht im Rahmen der EMIR-3-Active-Account-Anforderung ist die Repräsentativitätspflicht. Diese besagt, dass mindestens eine repräsentative Anzahl von Geschäften, die den AAR-Kontraktkategorien zuzuordnen sind, auf dem aktiven Konto gecleart werden. Dadurch möchte der EU-Gesetzgeber den Anteil an Geschäften mit wesentlicher Systemrelevanz verringern, die über Drittstaaten-CCP gecleart werden.
Die Repräsentativitätspflicht greift jedoch nur für Gegenparteien, deren ausstehendes nominales Clearingvolumen in den maßgeblichen AAR-Kontraktkategorien weniger als 6 Mrd. Euro beträgt.
Die Repräsentativitätspflicht bezieht sich auf die verschiedenen Kategorien von Derivatekontrakten, die Laufzeit der Geschäfte und die Geschäftsgrößen. Für die Zwecke der Repräsentativitätspflicht bestehen die folgenden Kategorien: EUR Fixed-to-float, EUR OIS, EUR FRA, PLN Fixed-to-Float, PLN FRA, EUR STIR referencing Euribor sowie EUR STIR referencing €STR. Unterkategorien entstehen, wenn eine Matrix aus Laufzeit und Größe der Geschäfte gebildet wird.
EMIR 3 verlangt grundsätzlich, dass im Jahresdurchschnitt mindestens fünf Geschäfte in jeder der wichtigsten Unterkategorien je Kategorie von Derivatekontrakten und je Referenzzeitraum über das aktive Konto gecleart werden. Einzelheiten ergeben sich aus der maßgeblichen technischen Durchführungsstandards (RTS), welche voraussichtlich in Q4 2025 in Kraft treten werden (Entwurf der ESMA).
Zusätzliche Meldepflichten
Gegenparteien waren bereits vor EMIR 3 verpflichtet, die Einzelheiten aller von ihnen geschlossenen Derivatekontrakte und jeglicher Änderung oder Beendigung von Kontrakten an ein Transaktionsregister zu melden. Mit dem Active Account Requirement ist eine zusätzliche Meldepflicht hinzugetreten, wobei sich Meldeinhalte, -formate und -wege deutlich unterscheiden.
Gegenparteien haben Art und Umfang ihrer Geschäfte sowie der Geschäfte von Gruppenunternehmen zu erfassen und der zuständigen Behörde (BaFin in Deutschland) alle sechs monate zu übermitteln. Darüber hinaus sind Angaben über die Erfüllung der operationalen Verpflichtungen, einschließlich Stresstests, und der Repräsentativitätspflicht zu melden. Einzelheiten zu Meldeinhalten und dem Meldeformat ergeben sich aus den technischen Durchführungsstandards (RTS), welche voraussichtlich in Q4 2025 in Kraft treten werden (Entwurf der ESMA).
Gegenparteien sind von der zusätzlichen Meldepflicht ausgenommen, wenn sie mindestens 85 % ihrer Derivatekontrakte, die zu einer der AAR-Kontraktkategorien gehören, über einen EU/EWR-CCP clearen.
Fazit
Das Active Account Requirement nach EMIR 3 ist weit mehr als eine formale Kontoeröffnungspflicht. Marktteilnehmer müssen frühzeitig sicherstellen, dass ihre Systeme, Verträge und internen Abläufe so aufgestellt sind, dass das aktive Konto nicht nur besteht, sondern auch jederzeit nutzbar ist – inklusive Stresstests, Reporting und repräsentativer Nutzung. Besonders für Institute, die nahe an der Clearingschwelle agieren oder grenzüberschreitend organisiert sind, empfiehlt es sich, rechtzeitig eine Compliance-Strategie zu entwickeln. Dies umfasst u. a. die Überprüfung der Gruppenstrukturen, die Anpassung der IT-Anbindungen und eine klare Dokumentation gegenüber den Aufsichtsbehörden. Wer hier frühzeitig handelt, reduziert nicht nur regulatorische Risiken, sondern kann im Wettbewerb um Liquidität und Konnektivität Vorteile erzielen.
Ansprechpartner
Ihr Ansprechpartner für Fragen rund um den Derivatehandel und EMIR ist Hendrik Müller-Lankow.







