Post-Trade Risk Reduction Services (PTRR) unter EMIR 3.0 und MiFIR-Review – Überblick & neue Pflichten
- RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL)

- 10. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Neue EU-Vorgaben zu PTRR-Diensten: Was sich mit EMIR 3.0 und MiFIR ändert – Chancen und Pflichten für Marktteilnehmer im OTC-Derivatemarkt.

Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken (post-trade risk reduction services, PTRR-Dienste) werden von Drittanbietern für Marktteilnehmer erbracht, um ihnen bei der Verringerung der mit ausstehenden außerbörslichen (OTC) Derivatgeschäften verbundenen operationellen Risiken und Kontrahentenrisiken zu helfen. Angesichts der enormen Zahl von Derivatkontrakten, die PTRR-Diensten unterliegen, hat der europäische Gesetzgeber PTRR bestimmten Anforderungen unterworfen. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die Änderungen, welche sich aus EMIR 3.0 und aus dem MiFIR-Review ergeben.
1. Arten von PTRR-Diensten und ihre Vorteile
Die wichtigsten PTRR-Dienste umfassen die Portfoliokomprimierung (portfolio compression), die Optimierung des Kontrahentenrisikos (counterparty risk reduction, auch: counterparty rebalancing) und Basisrisikooptimierung (basis risk optimisation).
Definition Portfoliokomprimierung
Portfoliokomprimierung bezeichnet ein Verfahren, bei dem mehrere bestehende Derivatgeschäfte zwischen denselben oder mehreren Kontrahenten zusammengeführt, beendet oder angepasst werden, um die Zahl der Transaktionen und das ausstehende Nominalvolumen zu verringern, ohne dabei die Marktrisikoposition wesentlich zu verändern. Quelle: IOSCO, Final Report on Post Trade Risk Reduction Services, FR/10/2024, Seiten 11 und 12.
Definition Optimierung des Kontrahentenrisikos
Die Kontrahentenrisiko-Optimierung hilft Marktteilnehmern, ihre Kontrahentenrisiken zu verringern, ohne dabei das Gesamtrisiko ihrer Marktexposition zu verändern. Anders als bei der Portfoliokomprimierung wird weder die Zahl der Geschäfte noch das Nominalvolumen reduziert, vielmehr können zusätzliche Geschäfte entstehen, um Risiken zwischen den Teilnehmern umzuverteilen. Auf Grundlage der eingereichten Portfolios führen Dienstleister Algorithmen aus, die Ausgleichsgeschäfte vorschlagen, welche das Kontrahentenrisiko und damit auch die Höhe der zu stellenden Initial Margin senken. Wirksam wird der Vorgang jedoch nur, wenn alle beteiligten Parteien den vorgeschlagenen Geschäften zustimmen. Quelle: IOSCO, Final Report on Post Trade Risk Reduction Services, FR/10/2024, Seite 12.
Definition Basisrisikooptimierung
Basisrisikooptimierung umfasst insbesondere Handelsbestätigungen, Dokumentationen, Bewertungen und Streitbeilegungsverfahren. Quelle: IOSCO, Final Report on Post Trade Risk Reduction Services, FR/10/2024, Seite 8.
Die Vorteile von PTRR-Diensten sind vielschichtig. In erster Linie führen sie zu einer Verminderung von operationellen Risiken und Kontrahentenrisiken des Derivateportfolios. Das wiederum kann aufgrund einer Verringerung der insgesamt zu stellenden Initial Margin (IM) sowie der Eigenmittelanforderungen nach der CRR zu einer Freisetzung von operativem und regulatorischem Kapital führen.
Der europäische Gesetzgeber sieht PTRR-Dienste als ein wertvolles Instrument, um die Resilienz des OTC-Derivatemarkts zu verbessern (Erwägungsgrund 10 VO (EU) 2024/2987).
2. EMIR 3.0: Änderungen für Gegenparteien von Derivatekontrakten
Die Änderung der VO (EU) Nr. 648/2012 (EMIR) durch die VO (EU) 2024/2987 (EMIR 3.0) ist überwiegend zum 24.12.2024 in Geltung getreten.
Im Rahmen von EMIR 3.0 wurde Artikel 4b neu in die EMIR eingefügt. Durch die Regelung werden Derivategeschäfte, die aus PTRR resultieren, von der Clearingpflicht ausgenommen. Denn PTRR-Anbieter sind dazu übergegangen, komplexe Finanzinstrumente einzusetzen, für welche keine Clearingpflicht besteht, wodurch sich nach Ansicht des EU-Gesetzgebers das Risiko im Finanzsystem erhöht hat (Erwägungsgrund 10).
Warum verwenden PTRR-Anbieter keine clearingpflichtigen Derivate?
PTRR-Anbieter verwenden keine clearingpflichtigen Derivate, weil dies den eigentlichen Zweck der Risikominderungsdienste unterlaufen würde. Würden risikomindernde Transaktionen außerhalb des betroffenen Portfolios gebucht, könnten sie das dort bestehende Kontrahentenausfallrisiko nicht wirksam reduzieren. Kurz gesagt: Clearingpflichtige Derivate würden die Risikominderungswirkung von PTRR-Maßnahmen untergraben. (Quelle: ISDA response to IOSCO consultation on Post Trade Risk Reduction Services, Seite 2.)
Die Befreiung von der Clearingpflicht nach Artikel 4b Absatz 1 EMIR greift, wenn die in den Absätzen 2 bis 4 geregelten näheren Voraussetzungen vom PTRR-Dienstleister und den Teilnehmern an der PTRR-Transaktion erfüllt werden. Die näheren Einzelheiten sollen in RTS geregelt werden. Damit ist im Q1 2026 zu rechnen.
Grundsätzlich bedarf der PTRR-Anbieter für die Durchführung von PTRR-Diensten nicht notwendigerweise eine aufsichtsrechtliche Zulassung bzw. Erlaubnis. Bemerkenswert ist daher die Vorgabe in Artikel 4b Absatz 3 Buchstabe b EMIR, wonach die PTRR-Maßnahme von einer im Sinne der MiFID zugelassenen Wertpapierfirma durchgeführt werden muss, wenn der Marktteilnehmer in den Genuss der Befreiung von der Clearingpflicht kommen möchte. Faktisch sichert der Gesetzgeber den regulatorischen Einfluss der nationalen Aufsichtsbehörden auf PTRR-Anbieter.
3. MiFIR-Review: Änderungen für Anbieter von PTRR-Diensten
Der MiFID/MiFIR-Review brachte verschiedene Änderungen der MiFID und der MiFIR mit sich. Die Änderungen der MiFID erfolgten durch die RL (EU) 2024/790, welche bis zum 29.09.2025 in nationales Recht umzusetzen sind. Änderungen der unmittelbar geltenden MiFIR erfolgten durch die VO (EU) 2024/791, welche bereits seit dem 28.03.2024 in Kraft ist.
Nach Inkrafttreten der Level-1-Rechtsakte hat die ESMA ein umfangreiches Konsultationsverfahren durchgeführt, welches notwendige Anpassungen der Level-2-Rechtsakte vorbereitet hat.
Der MiFID/MiFIR-Review umfasst auch eine Anpassung der bisherigen Regelungen zur Portfoliokomprimierung. Betroffen sind sowohl Artikel 31 MiFIR als auch die insoweit maßgeblichen Regelungen in Kapitel IV DelVO (EU) 2017/567.
a) Ausweitung von Artikel 31 MiFIR auf weitere PTRR-Dienste
Artikel 31 MiFIR enthielt in seiner Urfassung lediglich Bestimmungen zur Portfoliokomprimierung (portfolio compression). Da die Portfoliokomprimierung jedoch bloß eine Unterkategorie verschiedener PTRR-Dienste ist (Erwägungsgrund 35 VO (EU) 2024/791), hat der europäische Gesetzgeber Artikel 31 MiFIR im Rahmen des MiFIR-Reviews allgemeiner gefasst. Seitdem umfasst die Regelung „Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken“.
Im Entwurf des neuen Artikel 16a DelVO (EU) 2017/567 spezifiziert die Europäische Kommission, dass Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken im Sinne von Artikel 31 MiFIR die Portfoliokomprimierung, Optimierung des Kontrahentenrisikos und Basisrisikooptimierungsdienste umfassen (siehe zu diesen Begriffen die Definitionen weiter oben).
Der Verordnungsentwurf enthält auch eine allgemeine Definition von PTRR-Diensten (übersetzt aus dem Englischen):
Für die Zwecke von Artikel 31 Absatz 1 der VO (EU) Nr. 600/2014 sind Dienste zur Verringerung von Nachhandelsrisiken solche Dienste, die alle folgenden Bedingungen erfüllen: (a) sie werden von einem Drittanbieter mittels eines Algorithmus nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip bereitgestellt; (b) sie bewirken eine Verringerung des Risikos in jedem Derivateportfolio, das von den Gegenparteien der Derivatgeschäfte der Nachhandels-Risikoreduzierungsmaßnahme unterzogen wird; (c) sie sind marktrisikoneutral; (d) wenn aus einer Nachhandels-Risikoreduzierungsmaßnahme neue Derivategeschäfte resultieren, tragen diese nicht zur Preisbildung bei.
b) Wegfall der Veröffentlichungspflicht von Portfoliokomprimierungen
Bis zum Inkrafttreten des MiFIR-Reviews waren Wertpapierfirmen und Marktbetreiber, die Portfoliokomprimierung durchgeführt haben, nach Artikel 31 Absatz 2 MiFIR (alte Fassung) verpflichtet, über ein APA (genehmigtes Veröffentlichungssystem) den Umfang der Geschäfte, die Gegenstand von Portfoliokomprimierungen waren, sowie den Zeitpunkt ihrer Abschlüsse so nah in Echtzeit wie technisch möglich (spätestens innerhalb von T+1) zu veröffentlichen. Diese Verpflichtung ist entfallen.
Bis zum Entfall der Veröffentlichungspflicht hat Artikel 18 DelVO (EU) 2017/567 Einzelheiten zur Veröffentlichung geregelt. Die Norm ist weiterhin formal in Kraft. Aufgrund der Streichung von Artikel 31 Absatz 2, Absatz 4 Buchstabe b MiFIR (alte Fassung) ist ihre Rechtsgrundlage jedoch entfallen und die Norm ist nicht mehr anzuwenden. Im Entwurf der Europäischen Kommission zur Änderung der DelVO (EU) 2017/567 ist bereits eine Streichung von Artikel 18 angelegt.
c) Spezifische Anforderungen an die Portfoliokomprimierung
Soweit ein von Artikel 31 MiFIR erfasster PTRR-Dienstleister Portfoliokomprimierung erbringt, regelt Artikel 17 DelVO (EU) 2017/567 spezifische Anforderungen. Diese Anforderungen bleiben auch nach dem MiFIR-Review in Kraft. Darüber hinausgehende Anforderungen an andere Formen von PTRR-Diensten wie der Optimierung des Kontrahentenrisikos oder Basisrisikooptimierungsdiensten sind im Entwurf zur Änderung der DelVO (EU) 2017/567 nicht angelegt.
Anforderungen faktischer Art ergeben sich jedoch aus Artikel 4b Absätze 3 und 4 EMIR, welche erfüllt sein müssen, wenn die Ausnahme von der Clearingpflicht in Anspruch genommen werden soll.
d) Ausnahmen von Transparenzpflicht, Handelspflicht und bestmöglicher Ausführung
Die in Artikel 31 Absatz 1 MiFIR geregelten Ausnahmen von den Pflichten zur Vor- und Nachhandelstransparenz, der Pflicht zum Abschluss bestimmter Geschäfte an Handelsplätzen (Handelspflicht) und der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution) bestehen weiterhin.
Im Hinblick auf die Transparenzpflichten ist lediglich die Ausnahme von Systematischen Internalisierern (SI) zur OTC-Vorhandelstransparenz (Artikel 18 MiFIR alte Fassung) entfallen. Dies ist aber nur technischer Natur, weil die entsprechende OTC-Vorhandelstransparenzpflicht im Rahmen des MiFIR-Reviews insgesamt weggefallen ist.
Ihr Ansprechpartner zu Post-Trade-Risk-Reduction-Diensten: Rechtsanwalt Dr. Hendrik Müller-Lankow.
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