BFH II B 13/25: Doppel-Festsetzung nach § 1 Abs. 2b/3 GrEStG bei Signing & Closing – Implikationen für Immobilienfonds
- RA Dr. Gero Kollmer, MBA

- 28. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.
Zeitversetztes Signing/Closing kann zu doppelten GrESt-Bescheiden führen – der BFH setzt hier ein Stoppsignal. Was Fondsmanager jetzt prüfen sollten.

Executive Briefing
AdV-Beschluss des BFH zu Doppel-Festsetzungen bei zeitversetztem Signing/Closing; ernstliche Zweifel an doppelter GrESt, wenn dem FA das Closing bekannt ist.
Relevanz in Fondsstrukturen: SPV-Ketten (TopCo/MidCo/PropCo), 90 %-Schwellen, 10-Jahres-Fenster, LP-Umschichtungen, Co-Invests, Reorgs.
Steuer-Governance: Weiterhin zweistufige § 19-Notifikation (Signing und Closing). Bei Notifizierungsfehlern: Einspruch gegen doppelten Steuerbescheid prüfen.
Kontakt: Dr. Gero Kollmer
Sachverhalt & Leitsatz
Die Antragstellerin ist Erwerberin von Anteilen an einer grundbesitzenden GmbH. Der Anteilserwerb vollzog sich in den folgenden Schritten:
11.03.2024: Notarieller Anteilskaufvertrag (Signing)
29.03.2024: Abtretung der Gesellschaftsanteile (Closing)
04.04.2024: Anzeige des Kaufvertrags (11.03.) beim FA durch den beurkundenden Notar. Keine Anzeige der Abtretung der GmbH-Anteile (29.03.).
30.05.2024: Festsetzung von GrESt sowohl ggü. der GmbH aufgrund des Wechsels im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2b GrEStG) als auch ggü. der Antragstellerin (Erwerberin) aufgrund der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).
Während das Einspruchsverfahren noch anhängig war beantragte die Antragstellerin (Erwerberin) die Aufhebung der Vollziehung (AdV), weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestünden. FA und FG lehnten den Antrag ab. Der BFH gab ihm nun durch Beschluss vom 09.07.2025 (Az. II B 13/25) statt. Leitsatz:
Es ist rechtlich zweifelhaft, ob bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) festgesetzt werden kann, wenn dem Finanzamt im Zeitpunkt der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits erfolgt ist.
Rechtliche Einordnung des Falls
Beim Erwerb von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften fallen regelmäßig der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags und der Zeitpunkt der tatsächlichen Anteilsübertragung (Abtretung) auseinander. Gründe hierfür können vielseitig sein. In der Regel wird die Anteilsübertragung erst nach Kaufpreiszahlung vorgenommen. Aber es können auch andere Erwerbsbedingungen vereinbart werden, wie behördliche oder gesellschaftsvertragliche Zustimmungen.
Aufgrund des Auseinanderfallens von Signing und Closing kommen grundsätzlich zwei grunderwerbsteuerliche Erwerbstatbestände in Betracht: erstens, im Falle einer Immobilien-GmbH, § 1 Abs. 2b GrEStG aufgrund des Wechsels im Gesellschafterbestand (Festsetzung ggü. der Immobiliengesellschaft) und zweitens § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG aufgrund der Anteilsvereinigung (Festsetzung ggü. dem Erwerber).
Um im Regelfall eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird nach § 15 Abs. 4a GrEStG auf Antrag von einer doppelten Steuerfestsetzung abgesehen. Die Möglichkeit besteht aber nicht, wenn die Anzeige des Notars, welche er im Hinblick auf Beurkundungen zu leisten hat, nicht fristgerecht erfolgt. So war es im entschiedenen Fall. Es kam also auf die rechtliche Frage an, ob überhaupt beide Erwerbstatbestände nebeneinander einschlägig sein können.
Begründung des Gerichts
Der BFH stützte sein Ergebnis im Kern auf seine Auslegung des Einleitungssatzes von § 1 Abs. 3 GrEStG. Dieser lautet: „Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt, außerdem:“.
Nach Ansicht des Gerichts erfolge eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, nur soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt. Nach dem Wortlaut gelte dies für alle Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 GrEStG, das heißt nicht nur für solche, die auf denselben Zeitpunkt wie § 1 Abs. 2b GrEStG (Zeitpunkt der Übertragung der Anteile) abstellen. Eine zeitliche Beschränkung lasse sich der Vorrangregelung nicht entnehmen.
Dies würde auch durch die Gesetzeshistorie getragen. Mit der Einführung der Besteuerung der Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 2b GrEStG) im Jahr 2021 wurde auch der Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechend erweitert. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/13437, S. 12) ergebe sich, dass die Ergänzung das Rangverhältnis der Ergänzungstatbestände im Wege der Subsidiarität ‑‑ohne zeitliche Vorgaben‑‑ regeln soll.
Dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV) war also stattzugeben.
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder
Mit seinem Beschluss stellt sich der BFH gegen die geltende Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, welche die obersten Finanzbehörden der Länder in ihrem Anwendungsschreiben zu § 1 Abs. 3 GrEStG (05.03.2024 - S 4501, BStBl 2024 I S. 383) geäußert haben. Danach gelte der in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelte Vorrang nur, wenn Signing und Closing gleichzeitig vollzogen werden. Fallen Signing und Closing auseinander, würden hingegen beide Erwerbtatbestände verwirklicht und das Verhältnis zueinander würde durch das Notifizierungserfordernis in § 15 Abs. 4a, 5 Satz 2 GrEStG geregelt.
Implikationen für Immobilienfonds
Die Entscheidung des BFH erging zu einem Sachverhalt, der sich aufgrund der standardisierten notariellen Prozesse, auch bei Transaktionen durch Immobilienfonds, nur sehr selten ereignen dürfte. Kommt es doch einmal zu dem Fall, dass der Notar die Anzeige nicht rechtzeitig oder nicht vollständig macht, hat der Grunderwerbsteuerpflichtige mit dem Beschluss eine sehr gute Ausgangsposition, um eine doppelte Besteuerung des Immobilientransfers zu vermeiden.
Der BFH entschied zwar nicht in einem Hauptverfahren, sondern nur in einem Verfahren, in welchem es um die Aufhebung der Vollziehung (AdV) ging. Eine andere Entscheidung im Hauptverfahren dürfte jedoch nicht zu erwarten sein.
Für Immobilienfonds und andere Erwerbsstrukturen ist die Entscheidung auch relevant, wenn die Immobilie nicht über eine Kapitalgesellschaft, sondern über eine oder mehrere Personengesellschaften gehalten wird. Denn die rechtlichen Grundsätze lassen sich auf das Verhältnis von § 1 Abs. 2b GrEStG zu § 1 Abs. 3 GrEStG übertragen.
Trotz des Beschlusses des BFH dürften die Finanzämter vorerst an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn sie sind an den gleichlautenden Ländererlass gebunden. Eine Veröffentlichung des Beschlusses im Bundesteuerblatt (BStBl.) ist nicht erfolgt.
Ihr Ansprechpartner für Immobilienfonds und Immobilientransaktionen: Dr. Gero Kollmer.








